Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachteilsausgleichansprüche in der Insolvenz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Bemessung der Höhe von Nachteilsausgleichsansprüchen kann das Maß des betriebsverfassungsrechtlichen Fehlverhaltens des Insolvenzverwalters von Bedeutung sein. Auch bei einem geringen Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus §§ 111, 112 BetrVG, kann für die Berechnung des Nachteilsausgleichs pro Beschäftigungsjahr ein halber Monatsverdienst in Betracht kommen. Dazu ist der letzte Monatsverdienst des Arbeitnehmers vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 10 Abs. 3 i.V.m. § 9 Abs. 2 KSchG) durch 24 Monate zu dividieren und mit der Anzahl der Beschäftigungsmonate zu multiplizieren.

2. Bei der Bemessung der Höhe der Abfindung sind zwar die Grenzwerte des § 10 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG zu beachten. Je nach Lebensalter und Beschäftigungsdauer dürfen danach gerichtlich maximal 12 bzw. 15 oder 18 Monatsverdienste als Abfindung festgesetzt werden. Eine weitergehende Kürzung unterhalb dieser Höchstgrenzen findet nicht statt.

 

Normenkette

BetrVG § 113 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Urteil vom 17.07.2003; Aktenzeichen 7 Ca 7637/02)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 17.07.2003 (3 Ca 7643/02) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.783,25 EUR festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung des Nachteilsausgleichs an den Kläger.

Der am 04.07.1945 geborene Kläger war seit dem 01.09.1973 im Betrieb der Insolvenzschuldnerin als technischer Angestellter tätig. Das durchschnittliche monatliche Bruttoentgelt des Klägers betrug zuletzt 2.573,64 EUR.

Am 19.07.2002 fand ein erster Besprechungstermin beim Insolvenzgericht Dortmund statt. Am 22.07.2002 kam es zu einem Gespräch, an dem der Betriebsratsvorsitzende K. teilnahm. Es wurde eine Betriebsversammlung für den 23.07.2002 für die gewerblichen und die angestellten Mitarbeiter anberaumt, die durch die Mitarbeiterin des Beklagten P. durchgeführt wurde. In dieser Betriebsversammlung wurden die Mitarbeiter über die Auswirkungen einer Insolvenz unterrichtet. Es fanden dann weitere Gespräche mit dem Betriebsratsvorsitzenden K. über die Möglichkeit einer Transfergesellschaft und Weiterbeschäftigung statt. Bei den Verhandlungen im Zeitraum 29.07. bis 09.08.2002, am 13.08., am 16.08., vom 01.09. bis 23.09. und am 28.09.2002 nahm jeweils der Betriebsratsvorsitzende K. teil.

Das Amtsgericht Dortmund hat durch Beschluß vom 01.09.2002 (251 IN 111/02) über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und den Beklagten zum Insolvenzverwalter bestellt.

Mit Datum vom 02.09.2002 richtete der Beklagte an den Betriebsrat zur Einleitung des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG ein Schreiben mit folgendem Inhalt:

Zur Kündigung sind vorgesehen sämtliche Mitarbeiter, die noch im Beschäftigungsverhältnis stehen. Die Kündigung erfolgt gemäß § 113 InsO. Die Listen der Arbeitnehmer liegen Ihnen vor und sind Ihnen bekannt.

Ich bitte Sie deshalb gemäß § 102 BetrVG, die Stellungnahme zu den geplanten Entlassungen abzugeben.

Wie Ihnen mitgeteilt, bin ich bereit, eine Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan gemäß §§ 111 ff BetrVG und 113 ff InsO mit Ihnen abzuschließen. Anbei überreiche ich Ihnen einen solchen Entwurf. Ich bitte um Prüfung.

Diesem Schreiben war ein Entwurf einer Betriebsvereinbarung über Interessenausgleich und Sozialplan beigefügt. Am 19.09.2002 fand eine Betriebsratssitzung statt, in der über die Entlassungen, den Interessenausgleich und den Sozialplan gesprochen wurde.

Nachdem am 14.10.2002 der Landschaftsverband Westfalen-Lippe als Integrationsamt zugestimmt hatte, hat der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Insolvenzschuldnerin mit Schreiben vom 16.10.2002 zum 31.01.2003 gekündigt.

Mit Schreiben vom 08.11.2002 übersandte der Betriebsrat eine „Betriebsvereinbarung über eine Sozialplan”, die am 08.10.2002 unterzeichnet worden war. Diese „Betriebsvereinbarung über einen Sozialplan” ergänzte der Beklagte maschinenschriftlich, indem er unter der Überschrift die Worte „und einen Interessenausgleich” einfügte und vor der Präambel folgenden Text hinzufügte:

Zur Regelung der betriebl. Veränderungen wird gem. § 112 I BetrVG hiermit ein Interessenausgleich und Sozialplan vereinbart. § 111 BetrVG ist erfüllt.

Diese veränderte Fassung der Betriebsvereinbarung wurde vom Beklagten unterschrieben und unter dem 02.12.2002 an den Betriebsrat zurückgereicht.

Mit Schreiben vom 07.02.2003 hat der Beklagte die Masseunzulänglichkeit angezeigt.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung eines Nachteilsausgleichs begehrt.

Er hat vorgetragen, der Beklagte habe keinen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat vereinbart. Das Arbeitsverhältnis sei gekündigt worden, ohne daß zuvor mit dem Betriebsrat ein Interessenausgleich versucht worden sei. Der Beklagte sei nicht in Verhan...

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