Urteil aufgehoben 08.03.2000

 

Verfahrensgang

ArbG Siegen (Urteil vom 16.01.1998; Aktenzeichen 1 Ca 278/97)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am16.01.1998 verkündeteUrteil des Arbeitsgerichts Siegen – 1 Ca 278/97 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit der beim Arbeitsgericht D… am 04.02.1997 eingereichten Klage begehrt die Klägerin von dem Beklagten die Vergütung von 3,2 Stunden, die sie als Betriebsratsmitglied für Reisezeiten im Februar 1996 zu einer Betriebsräteversammlung aufgewandt hat.

Der beklagte eingetragene Verein mit Sitz in D… betreibt auf dem Gebiete Westliches Westfalen (vgl. die Verbreitungskarte Bl. 98 d. A.) ca. 50 Sozialeinrichtungen, u.a. auch ein Seniorenzentrum in L… Dort ist die Klägerin als Reinigungskraft des Beklagten tätig. Im Februar 1996 betrug ihre wöchentliche Arbeitszeit 28 Stunden (tägliche Arbeitszeit ohne Pause von montags bis freitags von 6.30 Uhr bis 12.18 Uhr). Im Monat verdiente sie dabei 2.234,30 DM brutto. Zu der Zeit (1996) war die Klägerin außerdem stellvertretende Vorsitzende des in dem Seniorenzentrum existierenden dreiköpfigen Betriebsrates (künftig: BR).

Für den 07.02.1996 mit Beginn 10.00 Uhr lud der in dem Unternehmen des Beklagten bestehende Gesamtbetriebsrat zu einer Betriebsräte-Versammlung in G… ein, wobei der Zeitpunkt und der Ort der Versammlung, wie zweitinstanzlich die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat, auf ausdrücklichen Wunsch des Geschäftsführers des Beklagten festgesetzt wurden.

Am 19.01.1996 beschloß der BR, insgesamt an der Betriebsräteversammlung teilzunehmen. Deshalb fuhren die drei BR-Mitglieder gegen 8.00 Uhr am 07.02.1996 in L… ab und kehrten um 17.30 Uhr wieder nach L… zurück. Die Betriebsräteversammlung dauerte in G… von 10.00 Uhr bis ca. 15.45 Uhr.

Von der von der Klägerin für die Betriebsräteversammlung aufgewandten Gesamtzeit vergütete der Beklagte der Klägerin lediglich 3,2 Stunden Reisezeit mit der Begründung nicht, die Reise sei nicht aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit erfolgt. Der Beklagte lehnte auch einen Freizeitausgleich für die Stunden ab. Vergeblich forderte die Klägerin über die Gewerkschaft ÖTV, deren Mitglied sie ist, in den Monaten Februar bis August 1996, zuletzt durch Schreiben vom 27.08.1996 (abgesandt am 20.09.1996), die Bezahlung dieser Stunden in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 61,50 DM brutto (einschließlich Mehrarbeitszuschlag).

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 61,50 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 21. September 1996 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch Urteil vom 16.01.1998 hat das Arbeitsgericht entsprechend dem Antrage der Klägerin unter Zulassung der Berufung entschieden. Das Arbeitsgericht hat dazu u.a. ausgeführt, die Klägerin habe nach § 37 Abs. 3 Satz 2, 2. Hs. BetrVG einen Anspruch auf Abgeltung der für ihre Teilnahme an der Betriebsräteversammlung außerhalb ihrer Arbeitszeit aufgewandten Zeit in der unstreitigen Höhe von 61,50 DM brutto. Die Klägerin erfülle sämtliche Anspruchsvoraussetzungen. Die Teilnahme an einer Betriebsräteversammlung sei Betriebsratstätigkeit, denn die Betriebsräteversammlung sei ein in § 53 BetrVG ausdrücklich vorgesehenes betriebsverfassungsrechtliches Gremium, welches mindestens einmal in jedem Kalenderjahr einzuberufen sei. Damit stehe zugleich fest, daß es sich um erforderliche Betriebsratstätigkeit handele, sofern die Voraussetzungen des § 53 BetrVG erfüllt seien. Dies werde von dem Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Die Betriebsräteversammlung sei außerhalb der Arbeitszeit der Klägerin durchgeführt worden. Abzustellen sei dabei auf die individuelle Arbeitszeit der Klägerin, so wie sie sich aus deren Arbeitsvertrag ergebe. Dies gelte namentlich auch für teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder.

Schließlich habe die Betriebsräteversammlung aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der regulären Arbeitszeit der Klägerin stattgefunden. Betriebsbedingte Gründe seien solche, die sich aus der Eigenart des Betriebes, der Gestaltung des Arbeitsablaufes oder der Beschäftigungslage ergäben und vom Betriebsrat nicht beeinflußbar seien. Es müsse ein im Betrieb selbst vorhandener Sachzwang dazu führen, daß die Betriebsratstätigkeit nicht während der Arbeitszeit durchgeführt werden könne. Allerdings sei der Begriff der betriebsbedingten Gründe nicht nur in diesem engen Sinne zu verstehen. Vielmehr lägen betriebsbedingte Gründe für eine Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit bereits dann vor, wenn aus Gründen, die in der Sphäre des Betriebes lägen, die Betriebsratstätigkeit nicht während der Arbeitszeit durchgeführt werden könne. Letztlich seien alle Umstände als betriebsbedingt anzusehen, die vom Arbeitgeber veranlaßt worden seien, also dem Arbeitgeberbereich zuzuordnen seien. Abzugrenzen von den betriebsbedingten Gründen seien die sog. betriebsratsbedingten Gründe. Das seien solche Umstände, die sic...

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