Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Altersversorgung. Anpassung. Ein-Prozent-Anpassung. Übergangsvorschrift. Teilunwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung. Umdeutung einer Betriebsvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 30 c Abs. 1 BetrAVG steht einer Betriebsvereinbarung entgegen, mit der die Anpassungsregelung des § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG für Versorgungszusagen eingeführt werden soll, die vor dem 01.01.1999 erteilt wurden. Dabei ist nicht danach zu unterscheiden, ob an diesem Stichtag bereits laufende Leistungen durch den Arbeitgeber erbracht werden.

2. Erschöpft sich der materielle Regelungsgehalt einer derartigen Betriebsvereinbarung in der Einführung einer Anpassungsregelung nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG unter gleichzeitiger Ablösung einer von § 16 Abs. 1 BetrAVG abweichenden, für die betroffenen Rentenempfänger günstigeren Anpassungsregelung, kann diese Betriebsvereinbarung nicht mit dem Inhalt teilweise aufrecht erhalten werden, dass die bisher geltende Anpassungsregelung ersetzt wird durch die gesetzliche Anpassungsvorschrift des § 16 Abs. 1 BetrAVG.

 

Normenkette

BetrAVG §§ 30c, 16 Abs. 3 Nr. 1; BetrVG § 77; BGB §§ 139-140

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Urteil vom 30.01.2008; Aktenzeichen 5 Ca 4805/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 28.06.2011; Aktenzeichen 3 AZR 137/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 30.01.2008 – 5 Ca 4805/07 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Anpassung einer Betriebsrente zum 01.07.2007.

Der am 30.07.1937 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.11.1990 bis zum 30.06.1997 bei der R1 E2 AG, der Rechtsvorgängerin der Beklagten, als AT-Angestellter beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war ein Anstellungsvertrag vom 02.10.1990, in dem es unter Ziffer 6 heißt:

„6. Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung

Sie erhalten eine Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe der Richtlinien für die Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung der R1 E2 AG vom 19.12.1989 bzw. nach der Maßgabe der Richtlinien in der jeweils geltenden Fassung.

Als Beginn des Ruhegelddienstalters gilt der 01.11.1990.”

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Anstellungsvertrags wird auf Aktenblatt 98 bis 102 verwiesen. Der Kläger schied aufgrund eines Aufhebungsvertrags vom 29.01.1996 aus. Darin wird unter anderem bestimmt:

„…

5. Nach Beendigung des Anspruchs auf Frühpensionsleistung wird das Ruhe- bzw. Hinterbliebenengeld nach Maßgabe der jeweils geltenden Richtlinien für die Ruhegeld- und Hinterbliebenen-Versorgung der R1 E2 AG und der Betriebsvereinbarung zur Frühpensionierung vom 05.05.1993 gezahlt.

…”

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Vereinbarung wird auf Aktenblatt 103/104 Bezug genommen.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger dem Grunde nach auf Grundlage von „Richtlinien für die Ruhegeld- und Hinterbliebenenfürsorge der Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk Aktiengesellschaft E1”, einer Betriebsvereinbarung vom 09.02.1989 (RL 89), die Zahlung eines betrieblichen Ruhegeldes verlangen kann. In den RL 89 heißt es unter § 5:

„…

(5) Die R1-Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung wird für Pensionsfälle ab 1992 höchstens um die Inflationsrate angepaßt, soweit diese zum Zeitpunkt einer Rentenerhöhung unterhalb der Erhöhungen der Nettovergütungen der aktiven R1-Mitarbeiter liegt. Übersteigt die Inflationsrate die Erhöhung der Nettovergütungen, verbleibt es bei der Anhebung der Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung um den Prozentsatz der Erhöhung dieser Nettovergütungen.

Sollte die Erhöhung der Sozialversicherungsrenten gesetzlich von der bruttolohnbezogenen auf die nettolohnbezogene Rentendynamisierung umgestellt werden, tritt im Rahmen der beschriebenen Anpassung an die Stelle der Erhöhung der Nettovergütungen die Erhöhung der Sozialversicherungsrenten.

(6) Die Inflationsrate wird nach der Veränderung des durch das Statistische Bundesamt jährlich ermittelten Preisindexes für die Lebenshaltung von Vier-Personen-Arbeitnehmerhaushalten mit mittlerem Einkommen berechnet. Die Nettovergütung wird auf der Grundlage der Vergütungsgruppe 9, Stufe 16 des jeweiligen Vergütungstarifvertrages (auf der Basis des Manteltarifvertrages vom 21.07.1977/28.09.1982) unter Berücksichtigung der Steuerklasse III/0 abzüglich sämtlicher Steuern und Sozialversicherungsbeiträge (Rentenversicherung, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung) ermittelt.

(7) Die Anpassung der Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung erfolgt auf der Basis des bisherigen Ruhe- bzw. Hinterbliebenengeldes, ohne daß die Erstberechnung des Ruhe- bzw. Hinterbliebenengeldes nachvollzogen wird.

(8) Stichtag für die Anpassung der Betriebsrenten ist jeweils der Zeitpunkt der Anpassung der gesetzlichen Sozialversicherungsrenten.

(9) § 16 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19.12.1974 bleibt unberührt. Dabei sind zwischenzeitlich nach den vorstehenden Absätzen erfolgte Anhebungen der Betriebs...

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