Entscheidungsstichwort (Thema)

Anredeform und Schlußfloskel im qualifizierten Zeugnis

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Bezeichnung mit "Herr" und "Frau" ist nicht nur ein Gebot der Höflichkeit, sondern entspricht auch der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG) und damit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Es verstößt nicht nur gegen die Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG), sondern ist auch mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung (Art. 3 Abs. 2 GG) unvereinbar, wenn einer volljährigen, erwachsenen Arbeitnehmerin im Arbeitsleben von ihrem Arbeitgeber nicht das Recht eingeräumt wird, ob sie als "Frau" oder "Fräulein" bezeichnet werden will. Nach heutigem Verständnis des allgemeinen Persönlichkeitsschutzes und im Zuge der Gleichberechtigung hat die erwachsene Arbeitnehmerin allein das Recht zu entscheiden, ob sie als "Frau" oder "Fräulein" tituliert werden möchte. Dies hat der Arbeitgeber auch bei Abfassung eines Zeugnisses zu respektieren.

2. Schlußfloskeln (Dankes-Bedauern-Formel und Zukunftswünsche) stellen keinen notwendigen Bestandteil des qualifizierten Zeugnisses dar. Sie drücken zwar oft eine besondere Wertschätzung aus, sind aber nicht einklagbar, weil ihr Fehlen nicht zum Ausdruck bringt, das Arbeitsverhältnis sei im Streit auseinandergegangen. Schlußfloskeln sind, da sie ein weites Feld für Verschlüsselungen bieten, abzulehnen. Wird dennoch eine Schlußfloskel verwandt, muß sie mit dem übrigen Zeugnis in Einklang stehen, denn unterlassene negative Urteile dürfen nicht versteckt mit der Schlußformel nachgeholt werden.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Berichtigung eines Zeugnisses.

Der Beklagte ist Wirtschaftsprüfer. Er war als Sozius in der "W. & Partner Treuhandgesellschaft/Steuerberatungsgesellschaft mbH". Nach Eintritt des Th. N. erfolgte eine Umbenennung in "W. & Partner Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mbH". Nachdem der Beklagte sein Wirtschaftsprüferexamen bestanden hatte, erfolgte eine weitere Umbenennung in Wirtschaftsprüfer-Sozietät L.-N.-W.. Ab 01.01.1987 führte der Beklagte ein eigenes Wirtschaftsprüferbüro.

Mit der W. & Partner Treuhandgesellschaft/Steuerberatungsgesellschaft mbH hat die Klägerin am 06.03.1985 einen schriftlichen Arbeitsvertrag geschlossen in welchem unter Punkt 1. ihr Tätigkeits- und Aufgabengebiet wie folgt beschrieben ist:

Der Angestellte hat die Aufgabe, dem Arbeitgeber in seiner beruflichen Tätigkeit nach dessen Weisung zu unterstützen. insbesondere bei der Erstellung von Jahresabschlüssen und Steuererklärungen, Erstellung von Mandantenbuchhaltungen sowie die Beratung der Mandanten nach Anweisung des Arbeitgebers.

Die am 08.04.1960 geborene Klägerin, die während der Gesamtdauer ihrer Beschäftigung unverheiratet gewesen ist, war als Steuerfachgehilfin und Bilanzbuchhalterin tätig und dem Beklagten während der Gesamtdauer ihr Beschäftigung zugeordnet. Sie war mit der Ausbildung von Nachwuchskräften betraut. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch Eigenkündigung der Klägerin mit Ablauf des 10.09.1989.

Am 06.11.1989 erteilte der Beklagte der Klägerin ein Zeugnis nachfolgenden Inhalts:

Zeugnis

Fräulein M. K. war vom 6. März 1985 bis 31. Dezember 1985 bei der W. & Partner GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft tätig und für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1986 zunächst bei der WP-Sozietät L.-N.-W. und im Anschluß daran bis zum 30. September 1989 bei mir als Fachgehilfin in wirtschafts- und steuerberatenden Berufen beschäftigt.

Ihr Aufgabengebiet umfaßte unter meiner Anleitung die nahezu selbständige Betreuung eines ihr zugewiesenen Mandantenkreises. Zu den Schwerpunkten dieser Tätigkeiten zählten:

-

die laufende Erstellung der Finanz- und Lohnbuchhaltung,

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Vorbereitung und Erstellung von Jahresabschlüssen nebst Erläuterungsberichten,

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Erstellung von Jahressteuererklärungen verschiedener Gesellschaftsformen einschließlich Kapitalgesellschaften,

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Prüfung von Steuerbescheiden und mandantenbezogenen Einzelvorgängen.

Fräulein K. hat die ihr übertragenen Aufgaben zu meiner vollen Zufriedenheit gewissenhaft ausgeführt.

Fräulein K. ist auf eigenen Wunsch aus meiner Praxis ausgeschieden.

Mit Schreiben vom 21.03.1990 hat die Klägerin sich mit dem Inhalt Zeugnisses nicht einverstanden erklärt. Sie hat dem Beklagten einen Entwurf überreicht, der ihren Vorstellungen entsprach, und ihn aufgefordert, ihr ein anhand dieses Entwurfs überarbeitetes Zeugnis auszustellen und zuzusenden. Dies hat der Beklagte abgelehnt.

Daraufhin hat die Klägerin am 31.08.1990 Klage auf Erteilung eines im Klageantrag formulierten Zeugnisses erhoben. Daraufhin hat der Beklagte mit Schreiben vom 10.09.1990 der Klägerin unter dem Datum des 06.11.1989 ein neues Zeugnis wie folgt erteilt:

Zeugnis

Fräulein M. K. war vom 6. März 1985 bis 31. Dezember 1985 bei der W. & Partner GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft tätig; für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1986 war sie bei der WP-Sozietät L.-N.-W. und im Anschluß daran bis zum...

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