Entscheidungsstichwort (Thema)

Wahrnehmung von Betriebsratstätigkeiten in stillgelegtem Betrieb. Auswirkungen auf Restmandat bei groben Pflichtverletzungen im Vollmandat

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Auswirkungen einer während der Zeit des Vollmandats begangenen groben Verletzung der Amtspflichten des Betriebsrates (§ 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) auf die Wahrnehmung des Restmandats nach § 21 b BetrVG.

 

Normenkette

BetrVG §§ 21b, 23 Abs. 1 S. 1, § 26 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 14.01.2020; Aktenzeichen 2 BV 5/19)

 

Tenor

Auf die Beschwerden des Betriebsrats und des Betriebsratsmitgliedes A wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 14.01.2020 - 2 BV 5/19 - abgeändert.

Die Anträge werden abgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

A.

Die beiden antragstellenden Arbeitgeberinnen begehren, gestützt auf § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, die Auflösung des Betriebsrates, hilfsweise den Ausschluss des zu 4. beteiligten Betriebsratsmitglieds A, der als Vorsitzender des Gremiums fungiert.

Die beiden Arbeitgeberinnen sind Unternehmen der Automobilzulieferungsbranche und gehören der B-Unternehmensgruppe an. Sie unterhielten jedenfalls bis zum 30.04.2019 in C einen Gemeinschaftsbetrieb mit zuletzt ca. 268 Arbeitnehmern, die durch den zu 3) beteiligten Betriebsrat vertreten wurden.

Im April 2018 traf die B LLC als Konzernobergesellschaft die Entscheidung, den gesamten operativen Geschäftsbetrieb in C zum 30.04.2019 einzustellen.

Am 24.04.2018 wurden der Betriebsrat und die Belegschaft über die Sachlage informiert. Die aufgenommenen Verhandlungen über einen Interessenausgleich scheiterten, festgestellt durch einen förmlichen Beschluss der Einigungsstelle am 05.10.2018.

Im Oktober 2018 und in der Folgezeit unterrichteten die Arbeitgeberinnen den Betriebsrat unter Angabe der Sozialdaten sowie der Mitteilung der Gründe über die beabsichtigten Kündigungen, denen der Betriebsrat widersprach.

Alle Kündigungen wurden dann in der Folgezeit ausgesprochen.

Am 13.12.2018 versandte der Betriebsratsvorsitzende A an verschiedene Adressen von Rechtsanwaltskanzleien, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Kündigungsschutzprozessen vertraten, eine E-Mail, die auszugsweise wie folgt lautet:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

zu den ihren Kanzleien anhängigen Kündigungsschutzverfahren hat der Betriebsrat mittlerweile etliche Unterlagen sammeln können.

Diese sind sehr umfangreich und aus unserer Sicht nicht ohne Kommentar oder Anleitung nutzbar.

Außerdem hat der komplette Ordner eine Dateigröße von mehr als 150 MB und würde jeden Mail-Server sprengen.

Wir haben uns daher die Mühe gemacht ein Verzeichnis der Ordnerstruktur anzulegen und übersenden Ihnen dieses Dokument als Anlage.

Den Schwerpunkt der Klagen würden wir, wie schon in den jeweiligen Stellungnahmen des Betriebsrats zu den Kündigungen genannt, auf ein Betriebs- zumindest aber Teilbetriebsübergang, stützen. Dazu haben wir etliche Unterlagen gesammelt und können heute sagen, dass es konkrete Arbeitsvertragsangebote für das neue B Center in D an 92 Beschäftigte (dem Betriebsrat namentlich bekannt) gibt.

Diese betreffen annähernd alle Bereiche des Betriebs. Zudem bleibt die heute bestehende Organisation auch am neuen Standort in D erhalten (schon bedingt durch die Matrix-Organisation). Zur Verdeutlichung hängen wir den Vergleich der Beschäftigtenzahlen nach Bereichen als Anlage an.

Um für unsere Kolleginnen und Kollegen das Bestmögliche zu erreichen stehen wir weiterhin für alle Anfragen und Informationen zur Verfügung. Bitte nutzen Sie zu den Anfragen diese Mail-Adresse. Eventuell käme ja auch ein gemeinsamer Termin zur Abstimmung/Informationsaustausch in Frage. Zu einem solchen erwarten wir gerne Ihre Vorschläge oder Stellungnahmen.

Viele Grüße,

A

Betriebsratsvorsitzender

Den Empfängern dieser E-Mail wurde zudem ein Link zur Verfügung gestellt. Sobald man ihn aufrief, hatte man die Möglichkeit, den kompletten Ordner mit einer Datengröße von mehr als 150 MB ohne einen Passwortschutz herunterzuladen. Der Ordner mit den Dateien war in einer Cloud vom Anbieter T-Online gespeichert.

Im Gütetermin vom 09.05.2019 hat der Betriebsratsvorsitzende A mehrfach erklärt, dass der gesamte Betriebsrat damit einverstanden gewesen sei, dass die genannte E-Mail an die entsprechenden Rechtsvertreter versandt wurde. Auch mit der Zurverfügungstellung der entsprechenden Daten sei der gesamte Betriebsrat einverstanden gewesen.

Die Arbeitgeberinnen haben die Auffassung vertreten, dass der Antrag auf Auflösung des Betriebsrates begründet sei, da er in grober Weise gegen seine gesetzlichen Pflichten verstoßen habe. Er habe nämlich sensible personenbezogene Daten, unter anderem Gesundheits- und Entgeltdaten, ohne Einwilligung der betroffenen Personen an einen breiten Empfängerkreis von externen Dritten weitergegeben, ohne dass hierfür eine sachliche Rechtfertigung erkennbar gewesen sei.

Auch liege ein grober Verstoß gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit vor. Der Betriebsrat habe nämlic...

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