Entscheidungsstichwort (Thema)

Schulung. Schulungsveranstaltung. Erforderlichkeit. Tarifvertrag. aktueller Tarifvertrag. Gleichstellungsabrede

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Teilnahme an einer Schulung zu einem Tarifvertrag, dessen dynamische Weitergeltung im Betrieb des Arbeitgebers unter den Betriebspartnern umstritten ist, ist erforderlich und das teilnehmende Betriebsratsmitglied damit durch den Arbeitgeber von den Kosten freizustellen, wenn die Frage der Weitergeltung des Tarifwerks nicht ohne weiteres zu entscheiden ist und der Arbeitgeber zu dieser Unklarheit selbst beigetragen hat, indem er – ohne aus seiner Sicht dazu verpflichtet zu sein – früher vereinbarte Tariflohnerhöhungen einschränkungslos an die Arbeitnehmer weitergegeben hat.

 

Normenkette

BetrVG § 37 Abs. 6 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Minden (Beschluss vom 18.01.2007; Aktenzeichen 1 BV 34/06)

 

Nachgehend

BAG (Aktenzeichen 7 ABN 90/07)

 

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Minden vom 18.01.2007 – 1 BV 34/06 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt lautet:

Die Arbeitgeberin wird verpflichtet, den Betriebsratsvorsitzenden B4 von der Verbindlichkeit in Höhe von 267,50 Euro gegenüber der ver.di Bildung + Beratung gGmbH aus der Rechnung vom 19.05.2006, Nr. 123456, freizustellen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A.

Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten für die Teilnahme des Betriebsratsvorsitzenden an dem eintägigen Seminar „Tarifabschluss im Einzelhandel NRW”.

Die Arbeitgeberin, bei der etwa 300 Arbeitnehmer beschäftigt sind, ist innerhalb der P1- M1-Gruppe ein Unternehmen der Logistikbranche, das keinem Arbeitgeberverband angehört.

Die Arbeitgeberin hat den Bereich „Logistik” zum 01.01.2003 im Wege eines Betriebsübergangs von der P1 M1 Handelsgesellschaft GmbH & Co. KG F1 u. G3 übernommen. Diese Gesellschaft war bis zum 31.12.2001 Mitglied eines tarifschließenden Arbeitgeberverbandes des Einzelhandels NRW. In den bei ihr zuvor geschlossenen Arbeitsverträgen heißt es z.B.: „Die Arbeitsbedingungen richten sich nach den jeweiligen tariflichen Bestimmungen des Einzelhandels” (= Arbeitnehmer B5) oder „Der jeweilige Manteltarifvertrag für den Einzelhandel sowie der Lohn- und Gehaltstarifvertrag für den Einzelhandel sind Inhalt dieses Anstellungsvertrages” (= Arbeitnehmer B4).

Nachdem die letzte Tarifbindung an den MTV Einzelhandel NRW mit Ablauf des 31.03.2003 entfallen war, teilte die Arbeitgeberin durch ihren damaligen Geschäftsführer F1 dem Betriebsrat im Schreiben vom 11.04.2003 unter anderem folgendes mit:

die P1 M1 L1 GmbH & Co.KG für Westfalen ist kein Einzelhandelsunternehmen und unterliegt als Firma nicht dem Einzelhandelstarifvertrag.

Unabhängig davon, ist mit den Mitarbeitern in den Arbeitsverträgen die Wirkung des Einzelhandelstarifvertrages vereinbart worden. Für alle Mitarbeiter, die diese Vereinbarung haben, gelten mit arbeitsrechtlicher Wirkung auch in Zukunft für den jeweiligen Mitarbeiter die Bestimmungen des Einzelhandelstarifvertrages Nordrhein-Westfalen. Alle zukünftigen Mitarbeiter werden eine Tarifbindung zum Einzelhandelstarifvertrag nicht mehr besitzen.

Die für den Einzelhandel NRW im Jahre 2003 vereinbarte Tariflohnerhöhung (1,6 % ab 01.07.2003 zuzüglich Pauschalzahlungen für die vorangegangenen drei Monate) gab die Arbeitgeberin in vollem Umfang an ihre Mitarbeiter weiter.

Nachdem im Februar 2006 im genannten Tarifbereich neue Tarifverträge abgeschlossen worden waren, lehnte die Arbeitgeberin gegenüber dem Betriebsrat am 28.04.2006 die Übernahme ab, worüber der Betriebsrat am 11.05.2006 die Belegschaft informierte.

Am 18.05.2006 fasste der Betriebsrat dann den Beschluss, den Vorsitzenden zu einem eintägigen Seminar am 01.06.2006 mit dem Thema „Tarifabschluss im Einzelhandel NRW” zu entsenden. Wegen des genauen Inhalts und der Durchführungsmodalitäten wird verwiesen auf das mit Antragsschriftsatz vom 18.08.2006 in Kopie eingereichte Seminarangebot (Bl. 6 f. d. A.).

Die Arbeitgeberin lehnte den begehrten Besuch des Seminars mit Schreiben vom 22.05.2006 ab.

Nach erfolgter Seminarteilnahme erhielt der Betriebsratsvorsitzende eine an ihn gerichtete Rechnung der ver.di Bildung + Beratung Gemeinnützige GmbH vom 19.05.2006 über einen Betrag in Höhe von 267,50 EUR (Bl. 10 d. A.).

Nachdem die Arbeitgeberin in der Folgezeit die Erstattung ablehnte, leitete der Betriebsrat das vorliegende Beschlussverfahren ein.

Er hat die Auffassung vertreten, die Teilnahme an dem Seminar sei erforderlich gewesen, weil unverändert Streit darüber bestehe, ob die Tarifregelungen des Einzelhandels NRW im Betrieb dynamisch fortgelten würden.

Der Betriebsrat hat beantragt,

die Arbeitgeberin zu verpflichten, den Betriebsratsvorsitzenden B4 von den Schulungskosten seiner Teilnahme an dem Seminar „Tarifabschluss im Einzelhandel NRW” am 01.06.2006 in K2 gegenüber der ver.di Bildung + Beratung gGmbH, M4 W3 123, 45678 D4, aus der Rechnung mit der Nr. 123456 vom 19.05.2006 über einen Betr...

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