Entscheidungsstichwort (Thema)

Akteneinsichtsrecht durch Insolvenzverwalter. Insolvenzverwalter Dritter oder Partei i.S.d. § 299 Abs. 2 ZPO. Beschwerde gegen Akteneinsichtsrecht durch Insolvenzverwalter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Dem Insolvenzverwalter steht das Akteneinsichtsrecht nach 299 Abs. 1 ZPO als Partei kraft Amtes zu.

2. Hat das Arbeitsgericht einem Antrag des Insolvenzverwalters nach 299 Abs. 2 ZPO stattgegeben, ist dagegen das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nicht statthaft.

 

Normenkette

ZPO §§ 299, 567 Abs. 1 Nr. 2; InsO § 80; EGGVG § 23

 

Verfahrensgang

ArbG Paderborn (Entscheidung vom 10.01.2014; Aktenzeichen 3 Ca 726/13)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 10.01.2014 - 3 Ca 726/13 - wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte der Kläger von der Beklagten die Zahlung ausstehender Löhne, Überstundenvergütung, Fahrkostenvergütung sowie Urlaubsabgeltung. Widerklagend machte die beklagte Arbeitgeberin gegen den Kläger Schadenersatz- und Vertragsstrafenansprüche aus unerlaubter Wettbewerbstätigkeit geltend. Später erhöhte die Beklagte die Widerklage und erweiterte sie auf den Drittwiderbeklagten. Am 01.10.2013 wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Dr. G zum Insolvenzverwalter ernannt. Mit Schriftsatz vom 21.11.2013 meldeten sich die Prozessbevollmächtigten des Insolvenzverwalters und beantragten die Akteneinsicht.

Im Rahmen der Anhörung vertrat der Kläger die Auffassung, Akteneinsicht sei zunächst zu verweigern, da das berechtigte Interesse nicht hinreichend dargelegt sei. Der Insolvenzverwalter vertrat demgegenüber die Auffassung, um über eine Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits entscheiden zu können, sei er auf die Gewährung von Akteneinsicht dringend angewiesen.

Mit Beschluss vom 10.01.2014 hat das Arbeitsgericht dem Antrag des Insolvenzverwalters auf Gewährung von Akteneinsicht stattgegeben, und seine Entscheidung auf § 299 Abs. 2 ZPO gestützt. Der Insolvenzverwalter habe als Dritter ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht. Zur Prüfung der Erfolgsaussichten des unterbrochenen Verfahrens sei dieser auf Akteneinsicht angewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, die er nicht näher begründet hat.

Der Beschwerde hat die Vorsitzende nicht abgeholfen und sie dem Beschwerdegericht zugeleitet.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte verwiesen.

II. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss vom 10.01.2014 ist nicht statthaft und damit gemäß den §§ 78 ArbGG, 567, 572 Abs. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

1. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht stattgegeben und dies auf § 299 Abs. 2 ZPO gestützt. Es hat auf den Geschäftsverteilungsplan des Arbeitsgerichts verwiesen, nach dem der Direktor die einzelnen Vorsitzenden für ihren Zuständigkeitsbereich ermächtigt hat, Akteneinsicht nach dieser Norm zu gewähren. § 299 Abs. 2 ZPO ist jedoch im vorliegenden Fall nicht einschlägig, da der Insolvenzverwalter kein Dritter i.S.d. § 299 Abs. 2 ZPO, sondern Partei nach § 299 Abs. 1 ZPO ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG (vgl. Urteil vom 21. 9. 2006 - 2 AZR 573/05, NZA 2007, S. 404) und des BGH (vgl. Urteil vom 07.01.2008 - II ZR 283/06, NJW-RR 2008, 860) und der herrschenden Meinung in der Literatur (vgl. nur B/L/H/A, 71. Aufl. 2013, Grdz. § 50 Rn 11; Zöller-Vollkommer, 30. Aufl. 2014, Vor § 50 Rn. 21; Kreft-Kayser, 6. Auflage 2011, § 80 InsO, Rn 38) ist der Insolvenzverwalter Partei kraft Amtes und übt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis im eigenen Namen aus. Ihm steht daher mit der Insolvenzeröffnung und seiner Bestellung das Akteinsichtsrecht nach § 299 Abs 1 ZPO als Partei zu, ohne dass er ein rechtliches Interesse glaubhaft machen müsste.

2. Gegen die Entscheidung der Vorsitzenden nach § 299 Abs.2 ZPO in Wahrnehmung der Aufgaben des Gerichtsvorstands ist die sofortige Beschwerde nicht statthaft, weil kein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist.

Nach §§ 78 ArbGG, 567 ZPO findet die sofortige Beschwerde statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (§ 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) - was hier nicht der Fall ist - oder es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidung handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist (§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Damit werden von der sofortigen Beschwerde nur Prozesshandlungen, nicht aber Justizverwaltungsakte erfasst (vgl. Zöller/Lückemann, § 23 EGGVG Rn 12; LAG Hamm, Beschluss vom 19.07.2010 - 1 Ta 174/10 -, BeckRS 2010, 71921; OLG Naumburg, Beschluss vom 27.05.2010 - 5 VA 11/10, BeckRS 2010, 2054). Gemäß § 23 EGGVG kann gegen Justizverwaltungsakte auf den Gebieten des bürgerlichen Rechts einschließlich des Handelsrechts, des Zivilprozesses, der freiwilligen Gerichtsbarkeit un...

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