Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialplanpflicht. Betriebsänderung. Personalabbau. mehrere Entlassungswellen. einheitliche unternehmerische Planung. konkrete Planung und bloße Vorüberlegungen. Auslegung eines Interessenausgleichs. Abfindung. betriebliche Lohngestaltung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Abschluss eines Sozialplans ist auch noch nach der Durchführung der Betriebsänderung möglich.

2. Bei § 112a Abs. 1 BetrVG bleiben die Mitarbeiter außer Betracht, die aus – nicht nur vorgeschobenen – personen- oder verhaltensbedingten Gründen gekündigt werden oder deren Arbeitsverhältnis unabhängig von betriebsbedingten Gründen infolge Fristablaufs endet.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10, §§ 111-112, 112a; ZPO § 256

 

Verfahrensgang

ArbG Herford (Beschluss vom 08.08.2008; Aktenzeichen 1 BV 31/07)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Herford vom 08.08.2008 – 1 BV 31/07 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten über die Sozialplanpflichtigkeit einer Arbeitgebermaßnahme.

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen, in dem Staubsaugerbeutel hergestellt werden. Im Werk S1 waren früher ca. 186 Mitarbeiter beschäftigt.

Im Betrieb der Arbeitgeberin in S1 ist ein Betriebsrat gebildet.

Bereits im Jahre 2006 kam es anlässlich einer geplanten Änderung der Produktionsanlagen und des damit verbundenen Personalabbaus zu einem Interessenausgleich und Sozialplan vom 20.09.2006 (Bl. 6 ff. d.A.). Im Interessenausgleich wurde festgelegt, dass aufgrund der Umstellung der Maschinen auf das sogenannte Micropurvolumenvlies-Verfahren (MPVV) ein Arbeitsplatzabbau von insgesamt 90 Arbeitsplätzen erfolgen sollte. Diese 90 Arbeitsplätze sind in den Ziffern 4.1 bis 4.8 des Interessenausgleichs vom 20.09.2006 im Einzelnen aufgeführt.

In Ziffer 4.2 des Interessenausgleichs vom 20.09.2006 war darüber hinaus folgende Regelung getroffen worden:

„Soweit auf Grund eines noch zu erarbeitenden Konzepts 2 weitere Arbeitsplätze entfallen, verringert sich die Zahl der Produktionshelfer Entkalker auf 5; es besteht insoweit Einigkeit, dass die daher ausscheidenden Arbeitnehmer unter den wegen der vorliegenden Betriebsänderung abgeschlossenen Sozialplan vom 20.09.2006 fallen.”

Ziffer 4.9 des Interessenausgleichs enthält folgende Regelung:

„Die Zahl der verbleibenden Arbeitsplätze nach Ziffern 4.1. und 4.2. steht allerdings unter dem Vorbehalt einer Volumenannahme absehbar in 2007 von 80 Mio. Beuteln im MPVV-Bereich. Sollte sich diese Annahme nicht erfüllen, sind weitere Arbeitsplätze gefährdet. Soweit ein weiterer Personalabbau in der Größenordnung einer Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 3 BetrVG bis zum 31.12.2007 damit verbunden ist, bedarf die Maßnahme der erneuten Beteiligung des Betriebsrates. Soweit der weitere Personalabbau nicht in der Größenordnung einer Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 3 BetrVG erfolgt, werden die bis zum 31.12.2007 durch einen Kündigungsausspruch betroffenen Arbeitnehmer nach den Regelungen des Sozialplans vom 20.09.2006 behandelt.”

Ziffer 10.1 des Interessenausgleichs lautet wie folgt:

„Die Betriebsparteien sind sich darüber einig, dass durch diesen Interessenausgleich die geplante Betriebsänderung im Sinne der §§ 111, 112 Absatz 1 Satz 1 BetrVG abschließend geregelt ist.”

Im Laufe des Jahres 2007 zeichnete sich ab, dass statt der angenommenen 80 Mio. Beutel im MPVV-Bereich für das Jahr 2007 lediglich von einem Volumen von 57,5 Mio. Vliesbeuteln in der Eigenfertigung ausgegangen werden konnte.

Die Arbeitgeberin stellte daraufhin im Herbst 2007 eine neue Planung auf, nach der ein Abbau von weiteren 18 Vollzeitarbeitsplätzen vorgesehen war. Hierzu teilte sie dem Betriebsrat am 27.09.2007 mit, dass weitere 17,5 Vollzeitarbeitsplätze mit 18 betroffenen Arbeitnehmern abgebaut werden müssten. In der Folgezeit wurde dem Betriebsrat eine vom 16.10.2007 datierende Erläuterung zum Personalabbau PVG (Bl. 24 ff. d.A.) vorgelegt. Im Verlauf der Verhandlungen zwischen den Betriebsparteien vom 18.10.2007, 05. und 14.11.2007 legte der Betriebsrat der Arbeitgeberin eine Gegenrechnung zum Personalabbau vor (Bl. 62 ff. d.A.). Die Frage der Notwendigkeit und des Umfangs weiterer Entlassungen wurde zwischen den Betriebsbeteiligten kontrovers diskutiert ebenso wie die Frage, ob die geplante Personalabbaumaßnahme erneut sozialplanpflichtig sei. Mit Schreiben vom 20.11.2007 teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin mit, dass er den Beschluss gefasst habe, einen externen Sachverständigen hinzuzuziehen, weil die von der Arbeitgeberin vorgelegten Berechnungen nicht nachvollziehbar seien. Dies lehnte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 22.11.2007 ab und erklärte die Verhandlungen für gescheitert.

Mit einem am 26.11.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag begehrte die Arbeitgeberin die Bestellung einer Einigungsstelle zum Zwecke der Verhandlungen über einen Interessenausgleich – Arbeitsgericht Herford 1 BV 33/07 –. Der Betriebsrat verlangte in diesem Verfa...

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