Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsrechtsweg für Kündigungsschutzklage des stellvertretenden Geschäftsführers eines eingetragenen Vereins ohne satzungsmäßige Vertretungsmacht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG kann auch bei einem besonderen Vertreter im Sinne des § 30 BGB eingreifen.

2. Gemäß § 30 Abs. 1 BGB kann durch Satzung bestimmt werden, dass neben dem Vorstand für gewisse Geschäfte besondere Vertreter zu bestellen sind. Die besonderen Vertreter sind dann wie der Vorstand satzungsmäßige Organe des Vereins.

3. Die Bestellung besonderer Vertreter erfolgt, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, nur durch die Mitgliederversammlung. Die Stellung als besonderer Vertreter im Sinne des § 30 BGB hat die Rechtswirkung, dass der Verein für den Schaden, den ein “verfassungsmäßig„ berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtung begangene zum Schadensersatz verpflichtende Handlung zufügt, verantwortlich ist.

4. Im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit kann - anders als im Rahmen des § 31 BGB - bei der Anwendung der Fiktionsregelung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG auf das Erfordernis der Vertretungsmacht kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrages nicht verzichtet werden. Anderenfalls wäre eine Prüfung des der Vertretungsmacht zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses erforderlich, auf die es nach der Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gerade nicht ankommen soll.

5. Besondere Vertreter eines Vereins im Sinne des § 30 BGB gelten nur dann nicht als Arbeitnehmer im Sinne der Fiktionsregelung des § 5 Abs. 1 Satz 3 BGB, wenn die Satzung die Bestellung ausdrücklich gestattet.

6. Ein “stellvertretender Geschäftsführer„ eines eingetragenen Vereins, der als solcher in keiner Bestimmung der Satzung als “besonderer Vertreter„ erwähnt wird, kann mangels einer unzweideutigen Satzungsermächtigung nicht als besonderer Vertreter eines eingetragenen Vereins angesehen werden. Für Rechtstreitigkeiten eines solchen “stellvertretenden Geschäftsführers„ ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet.

 

Normenkette

ArbGG § 5 Abs. 1 S. 3; BGB §§ 30, 623; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b), Buchst. a); BGB § 30 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bochum (Entscheidung vom 06.04.2017; Aktenzeichen 1 Ca 231/17)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 06.04.2017 - 1 Ca 231/17 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Der Streitwert wird auf 31.500,00 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug um die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitssachen für die vom Kläger erhobene Klage auf Feststellung der Wirksamkeit einer von dem Beklagten erklärten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

Der 1974 geborene Kläger ist seit November 2004 bei dem Beklagten, einem nicht rechtsfähigen Verein, der regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Er wurde auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 08.11.2004 eingestellt, der in der Folgezeit immer wieder ergänzt wurde. Der Kläger wurde zunächst als Assistent der Geschäftsleitung eingestellt und war zuletzt seit dem 01.01.2017 als stellvertretender Geschäftsführer zu einem Jahresgehalt von ca. 105.000,00 € brutto tätig.

Mit Schreiben vom 06.02.2017 kündigte der Vorsitzende des Beklagten das mit dem Kläger bestehende Vertragsverhältnis außerordentlich, hilfsweise fristgerecht zum 30.06.2017. Nachdem der Kläger diese Kündigung unter Hinweis auf § 174 BGB zurückwies, kündigte der Beklagte erneuet vorsorglich mit Schreiben vom 20.02.2017 fristlos, hilfsweise fristgerecht, wobei sie auch die Abberufung des Klägers erklärte.

Mit seiner am 13.02.2017 bei Gericht eingegangenen Klage und der am 23.03.2017 eingegangenen Klageerweiterung wehrt sich der Kläger gegen diese Kündigungen und begehrt seine Weiterbeschäftigung.

Der Kläger ist der Ansicht, dass er für den Beklagten aufgrund eines Arbeitsverhältnisses tätig gewesen sei, was auch der Bezeichnung "Arbeitsvertrag" zu entnehmen sei. Sowohl das Kündigungsschutzgesetz sei anwendbar als auch der Rechtsweg zum Arbeitsgericht eröffnet, da er weder eine Organstellung inne habe noch in leitender Position bei dem Beklagten tätig gewesen sei. Vertreten werde der Verein lediglich durch den Vorsitzenden sowie durch den Hauptgeschäftsführer, nicht durch ihn als stellvertretenden Hauptgeschäftsführer. Er sei auch kein Bestellorgan oder besonderer Vertreter im Sinne des § 30 BGB. Etwas anderes ergebe sich nicht aus der Satzung des Beklagten. Denn nach dem eindeutigen § 5 der Satzung seien Organe des Beklagten lediglich die Mitgliederversammlung, der Beirat sowie der Vorsitzende. Anders als für diese Organe sehe die Satzung auch keinen Haftungsausschluss für ihn als stellvertretenden Hauptgeschäftsführer vor. Es habe auch zu keiner Zeit irgendeinen Bestellungsakt gegeben.

Der Kläger kündigt die Anträge an,

  1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende A...

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