Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsvollstreckung. Vollstreckungsfähigkeit. Zeugnis. Vorschlagsrecht zur Zeugnisformulierung. Abweichen vom Zeugnisentwurf „bei grober Unrichtigkeit”. Erfüllungseinwand

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Regelmäßig mangels hinreichender Bestimmtheit nicht vollstreckungsfähig sind Formulierungen, wie „wohlwollendes Zeugnis” oder „dem beruflichen Fortkommen dienlich”.

2. Ergibt die Auslegung. dass sich der Schuldner in einem Vergleich bestimmten Vorgaben für das Zeugnis unterworfen hat, an die er sich bei der nachfolgenden Zeugniserteilung nicht gehalten hat – ist er also von dem ihm von der Gläubigerin zugeleiteten Zeugnisentwurf in mehreren Formulierungen abgewichen, ohne dass er vorgetragen hat, inwieweit die von der Gläubigerin vorgeschlagene Fassung zu den einzelnen Punkten grob unrichtig ist – kann die Vollstreckung nach § 888 ZPO möglich sein, da Bindung an den Entwurf der Gläubigerin besteht.

 

Normenkette

ZPO § 888; GewO § 109

 

Verfahrensgang

ArbG Iserlohn (Beschluss vom 22.02.2010; Aktenzeichen 5 Ca 710/09)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Vollstreckungsschuldnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 22.02.2010 – 5 Ca 710/09 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 1.865,– EUR.

 

Tatbestand

I.

Die Vollstreckungsschuldnerin (im Folgenden: Schuldnerin) wendet sich gegen einen Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn, mit dem gegen sie ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, festgesetzt worden ist, um sie zur Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses anzuhalten.

Die Vollstreckungsgläubigerin (im Folgenden: Gläubigerin) war bei der Schuldnerin von Oktober 2001 bis September 2009 als Angestellte beschäftigt. Im Rahmen eines zwischen den Parteien geführten Kündigungsschutzverfahrens hat sich die Schuldnerin mit gerichtlichem Vergleich vom 29.09.2009 unter Ziffer 4) verpflichtet, der Gläubigerin „unter dem Beendigungszeitpunkt ein wohlwollendes, qualifiziertes Zeugnis zu erteilen, das sich auch auf Führung und Leistung erstreckt und dem beruflichen Fortkommen der Klägerin ≪ jetzt: Gläubigerin ≫ dienlich ist”. Weiter heißt es in dem Vergleich:

„Hinsichtlich der Zeugnisformulierung erhält die Klägerin ein Vorschlagsrecht, wobei die Beklagte bereits jetzt wohlwollende Prüfung eines von der Klägerin einzureichenden Entwurfes und Abweichen nur bei grober Unrichtigkeit zusichert.”

Mit Schriftsatz vom 03.02.2010 hat die Gläubigerin die Festsetzung von Zwangsgeld gegen die Schuldnerin beantragt, da die Schuldnerin ihrer Verpflichtung aus Ziffer 4) des Vergleichs vom 29.09.2009 nicht nachgekommen sei.

Mit Beschluss vom 22.02.2010 hat das Arbeitsgericht diesem Antrag entsprochen und gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,– EUR, ersatzweise Zwangshaft, festgesetzt. Gegen diesen ihr am 24.02.2010 zugestellten und wegen seiner weiteren Einzelheiten in Bezug genommenen Beschluss hat die Schuldnerin mit am 01.03.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

Die Schuldnerin macht geltend, das Arbeitsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, da es den Zwangsgeldbeschluss vor Ablauf der ihr eingeräumten Frist zur Stellungnahme erlassen habe. Im Übrigen habe sie mit dem am 06.01.2010 der Gläubigerin übermittelten Zeugnis (Bl. 119/120 GA) den Zeugnisanspruch erfüllt. Soweit das Zeugnis marginal von dem Vorschlag der Gläubigerin (Bl. 148 bis 150 GA) abweiche, sei dies zum einen nicht zu beanstanden, zum anderen sei dies nicht Gegenstand des Zwangsvollstreckungsverfahrens.

Die Gläubigerin verteidigt den angefochtenen Beschluss. Sie vertritt die Ansicht, der Zeugnisanspruch sei nur bei Übernahme ihres Zeugnisvorschlags erfüllt. Es seien nicht marginale Abweichungen, wie sie die Schuldnerin annehme, zulässig, sondern nur Abweichungen bei grober Unrichtigkeit des Vorschlags. Das erteilte Zeugnis beinhalte eine Vielzahl von Differenzen zu ihrem Vorschlag, ohne dass die Schuldnerin etwas zu einer groben Unrichtigkeit vortrage.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Schuldnerin (§§ 62 Abs. 2, 78 ArbGG, 567, 569, 793, 888 ZPO) ist zulässig, jedoch unbegründet.

Die Schuldnerin ist ihrer Verpflichtung aus dem Vergleich vom 29.09.2009 bisher nicht nachgekommen. Das Arbeitsgericht hat damit zu Recht gegen sie ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, gemäß § 888 ZPO festgesetzt.

1. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Einleitung der Zwangsvollstreckung (Titel, Klausel, Zustellung) sind erfüllt. Die Schuldnerin hat insoweit auch keine Einwände vorgebracht.

2. a) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Einwand der Schuldnerin, ihr sei vor Erlass des angefochtenen Beschlusses kein rechtliches Gehör gewährt worden, gerechtfertigt ist. Jedenfalls ist ihre Anhörung durch das nachfolgende Nichtabhilfeverfahren nachgeholt worden, ...

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