Entscheidungsstichwort (Thema)

Weiterbeschäftigung eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Übernahme in ein Arbeitsverhältnis. Auflösungsverlangen; fristgerechte Geltendmachung des Weiterbeschäftigungsverlangens. Treuwidrigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Weiterbeschäftigungsverlangen eines Mitglieds der Jugend- und Auszubilden-denvertretung, das außerhalb der Dreimonatsfrist des § 78 a Abs. 2 S. 1 BetrVG erklärt wird, bewirkt nicht die Fiktion des Entstehens eines Arbeitsverhältnisses (im Anschluss an BAG 15.01.1980 – 6 AZR 621/78 – AP BetrVG 1972 § 78 a Nr. 7).

Aus der Änderung des § 5 Abs. 1 S. 2 BBiG a.F. durch Art. 11 des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25.09.1996 (BGBl. I S. 1476) – heute § 12 Abs. 1 S. 2 BBiG n.F. – ergibt sich keine andere Beurteilung (gegen LAG Düsseldorf 19.05.2010 – 12 TaBV 23/10 – n. rkr: BAG – 7 ABR 49/10 –).

 

Normenkette

BetrVG § 78a Abs. 2, 4; BBiG a.F. § 5 Abs. 1 S. 2; BBiG n.F. § 12 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Gelsenkirchen (Beschluss vom 17.11.2010; Aktenzeichen 3 BV 17/10)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 05.12.2012; Aktenzeichen 7 ABR 38/11)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 17.11.2010 – 3 BV 17/10 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten darüber, ob zwischen dem Beteiligten zu 2. und der antragstellenden Arbeitgeberin ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Die Arbeitgeberin begehrt hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 78 a Abs. 4 BetrVG.

Die Arbeitgeberin betreibt ein Unternehmen für technische Dienstleistungen zur Errichtung und Instandhaltung von Industrieanlagen.

In ihrem Betrieb sind ein Betriebsrat, der Beteiligte zu 3., und eine Jugend- und Auszubildendenvertretung, die Beteiligte zu 4., gebildet.

Der am 01.01.1990 geborene Beteiligte zu 2. befand sich ab dem 01.09.2007 bei der Arbeitgeberin aufgrund eines schriftlichen Berufsausbildungsvertrages in einer Ausbildung zum Gerüstbauer. Während der Berufsausbildung hatte er zuletzt einen monatlichen Bruttoverdienst von 1.060,– EUR.

Im Jahre 2008 wurde der Beteiligte zu 2. in die Jugend- und Auszubildendenvertetung, die Beteiligte zu 4., gewählt.

Einem schriftlichen Bericht des Bauleiters der Arbeitgeberin vom 24.10.2008 (Bl. 17 d.A.) ist zu entnehmen, dass der Beteiligte zu 2. in der Vergangenheit mehrfach verspätet am Arbeitsplatz erschien sowie unentschuldigt fehlte.

Mit Schreiben vom 10.11.2008 (Bl. 10 d.A.) erteilte die Arbeitgeberin dem Beteiligten zu 2. eine Abmahnung wegen Unpünktlichkeiten vom 01.08.2008, 06.08.2008, 20.08.2008 und 15.10.2008 sowie wegen verspäteter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

Eine weitere Abmahnung erhielt der Beteiligte zu 2. am 24.02.2009 (Bl. 12 d.A.) wegen unentschuldigten Fehlens am 04.02.2009 sowie 05. und 06.02.2009 in der Berufsschule; eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe er erst am 09.02.2009 vorgelegt.

Mit Schreiben vom 24.02.2009 erteilte die Arbeitgeberin dem Beteiligten zu 2. darüber hinaus eine weitere Abmahnung wegen Unpünktlichkeiten vom 05.01.2009, 13.01.2009 und 22.01.2009 sowie wegen vorzeitigen Ausstempels am 14.01.2009.

Durch Schreiben der Sozialkasse des Gerüstbaugewerbes vom 29.09.2009 (Bl. 16 d.A.) wurde die Arbeitgeberin darüber informiert, dass der Beteiligte zu 2. im Blockunterricht vom 23.09.2009 bis zum 25.09.2009 unentschuldigt gefehlt habe.

Mit Schreiben vom 29.01.2010 (Bl. 7 d.A.) teilte die Arbeitgeberin dem Beteiligten zu 2. mit, dass sie ihm im Anschluss an seine Ausbildung mit Bestehen der Abschlussprüfung im Hinblick auf die in der Vergangenheit erteilten Abmahnungen kein Arbeitsverhältnis anbieten werde.

Mit Schreiben vom 23.02.2010 (Bl. 8 d.A.) wandte sich die IG Bauen-Agrar-Umwelt für den Beteiligten zu 2. an die Arbeitgeberin und bat diese unter anderem mit der Begründung, dass seit Februar 2009 keine weiteren Abmahnungen ausgesprochen worden seien, ihre Entscheidung zu überdenken. In diesem Schreiben heißt es weiter:

„… Gem. § 78 a Betriebsverfassungsgesetz beantragen wir daher schon jetzt rein vorsorglich die Weiterbeschäftigung des Herrn I1 nach erfolgreichem Bestehen der Gesellenprüfung auf unbestimmte Zeit. …”

Daraufhin teilte die Arbeitgeberin dem Bevollmächtigten des Beteiligten zu 2. mit Schreiben vom 08.03.2010 (Bl. 11 d.A. 3 Ca 1439/10 Arbeitsgericht Gelsenkirchen = 10 Sa 2315/10 Landesarbeitsgericht Hamm) mit, dass sie den Beteiligten zu 2. im Anschluss an die berufliche Ausbildung weiterbeschäftigen werde. Gleichzeitig behielt sie sich vor, gemäß § 78 a Abs. 4 BetrVG die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu beantragen, sollten bis zum Ende der Ausbildung erneute Verstöße gegen die Pflichten aus dem Ausbildungsverhältnis erfolgen.

Der Beteiligte zu 2. erhielt unter dem 09.03.2010 ein gleichlautendes Schreiben (Bl. 12 d.A. 3 Ca 1439/10 Arbeitsgericht Gelsenkirchen = 10 Sa 2315/10 Landesarbeitsgericht Hamm).

Mit Schreiben vom 08.03.2010 und 14.06.2010 ...

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