Entscheidungsstichwort (Thema)

Sachgrundbefristung Vertretung. Befristung. Sachgrund. Krankheitsvertretung. Prognose

 

Leitsatz (amtlich)

Die wiederholte Befristung wegen einer sich mehrfach verlängernder Arbeitsunfähigkeit der zu vertretenden Stammkraft steht der Prognose des künftigen Wegfalls des Vertretungsbedarfs dann entgegen, wenn dem Arbeitgeber bekannt ist, dass diese Stammkraft aufgrund ihrer langjährigen Arbeitsunfähigkeit bei der Krankenkasse ausgesteuert ist, seit langem Arbeitslosengeld bezieht und das Arbeitsverhältnis nur nach als sog. „leere Hülse” besteht. In diesem Fall muss der Arbeitgeber erhebliche Zweifel daran haben, dass die zu vertretende Stammkraft überhaupt wieder zurückkehren wird.

 

Normenkette

BGB § 620; BeschFG § 1; SGB III §§ 117-119; SGB VI § 44 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 22.03.2000; Aktenzeichen 13 Ca 443/99)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 04.12.2002; Aktenzeichen 7 AZR 545/01)

 

Tenor

Die. Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 22. März 2001 – 13 Ca 443/99– wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis über das zum 22. Oktober 1999 vereinbarte Fristende hinaus fortbesteht.

Die Klägerin war seit dem 12. Mai 1995 bei der Beklagten im … Krankenhaus …, dort in der Radiologischen Klinik, als Stationsfrau mit einer zuletzt erzielten monatlichen Vergütung von DM 2.150,00 brutto auf Basis der folgenden zwischen den Parteien abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge beschäftigt:

  1. Vertrag vom 12. Juni 1995 (Bl. 5/6 d.A.) in Verbindung mit Vertrag vom 22. Mai 1997 (Bl. 7/8 d.A.) befristet für den Zeitraum vom 12. Juni 1995 bis zum 22. April 1998:

    „Für die Zeit des Erziehungsurlaubes bzw. der Rückkehr der Stelleninhaberin, längstens jedoch bis zum 22. April 1998.”

  2. Vertrag vom 22. Mai 1997 (Bl. 9/10 d.A.) befristet für den Zeitraum 23. April 1998 bis zum 22. Oktober 1998:

    „Bis zur Rückkehr bzw. Ausscheiden der erkrankten Stelleninhaberin Frau …, längstens jedoch bis zum 22. Oktober 1998.”

  3. Vertrag vom 2. Oktober 1998 (Bl. 11/12 d.A.) befristet für den Zeitraum vom 23. Oktober 1998 bis zum 22. April 1999:

    „Bis zur Rückkehr bzw. Ausscheiden der erkrankten Stelleninhaberin Frau …, längstens jedoch bis zum 22. April 1999.”

  4. Vertrag vom 8. März 1999 (Bl. 13/14 d.A.) befristet für den Zeitraum 23. April 1999 bis zum 22. Oktober 1999:

    „Rückkehr bzw. Ausscheiden der erkrankten Stelleninhaberin Frau …, längstens jedoch bis zum 22. Oktober 1999.”

Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien finden der Manteltarifvertrag für Arbeiter der Länder (MTL II) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge Anwendung.

Der für das … Krankenhaus … für das nicht wissenschaftliche Personal bestehende Personalrat wurde anlässlich des zuletzt zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages vom 8. März 1999 ausweislich der Veränderungsanzeige vom 8. März 1999 (Bl. 34 d.A.) beteiligt. Die Veränderungsanzeige enthielt folgende erläuternden Angaben:

„Frau A. wird über den 22. April 1999 hinaus als Krankenvertretung weiterbeschäftigt, vorerst bis längstens 22. Oktober 1999. Zustimmung Arbeitskreis vom 2. März 1999 liegt vor.”

Der Personalrat hat seine Zustimmung erteilt.

Frau R. war bei Abschluss des letzten befristeten Arbeitsvertrages vom 8. März 1999 zwischen den Parteien bereits seit Anfang der 90er-Jahre arbeitsunfähig krankgeschrieben. Auf Aufforderung des Personalärztlichen Dienstes stellte Frau R. einen Rentenantrag.

Mit Schreiben vom 29. Mai 1998 teilte der anwaltliche Bevollmächtigte von Frau R., Herr Rechtsanwalt …, der Beklagten unter anderem mit:

„Nach längerer Krankheit hatte unsere Mandantin zunächst Krankengeld und sodann Leistungen des Arbeitsamts Hamburg erhalten. Ein Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente ist zwischenzeitlich abgelehnt worden. Nach eingehenden ärztlichen Untersuchungen, unter anderem auch durch Ihren Personalärztlichen Dienst, ist nach den uns vorliegenden Informationen festgestellt worden, dass unsere Mandantin zurzeit für vier Stunden täglich arbeitsfähig ist.

Unsere Mandantin hatte diesbezüglich Anfang Mai 1998 bei Ihnen vorgesprochen, ohne dass unserer Mandantin konkret der Zeitpunkt mitgeteilt worden ist, zu dem die Arbeit aufgenommen werden kann. Dieses wiederum hat dazu geführt, dass das Arbeitsamt unserer Mandantin eine Frist zum 10. Juni 1998 gesetzt hat, innerhalb derer eine Klärung herbeigeführt werden müsse, anderenfalls unserer Mandantin die Leistungen gestrichen werden würden.

Wir bitten Sie daher, innerhalb der vorgenannten Frist konkret und verbindlich mitzuteilen, ab wann unsere Mandantin die Arbeit in Ihrem Hause wieder aufnehmen kann.”

In der Folgezeit kam es weder zu einer Beschäftigung der Frau R. im Rahmen des § 74 SGB V noch zur Ablehnung einer Wiedereingliederung durch die Beklagte, wobei nach Angaben der Beklagten die dafür seinerzeit maßgeblichen Gründe derzeit nicht mehr recherchierbar sind.

Die Klägerin hat mi...

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