Leitsatz (amtlich)

Stellt der Arbeitgeber eine begrenzte Zahl freier Arbeitsplätze Arbeitnehmer zur Verfügung, die aufgrund unternehmerischer Entscheidung ihre vorherige Beurteilungsmöglichkeit verloren haben, und sind diese Arbeitsplätze mit der früheren Tätigkeit nicht vergleichbar, so hat der Arbeitgeber über die Gründe seiner Auswahlentscheidung den Betriebsrat im Rahmen des 102 BetrVG anzuhören, wenn er selbst Auswahlgesichtspunkte zugrundegelegt hat.

Zumindest ist der Arbeitgeber, wenn er dem Betriebsrat über die Auswahlgesichtspunkte im Rahmen des § 102 BetrVG nicht informiert hat, gehindert, im Kündigungsschutzprozeß nachzuschieben, daß die Auswahl nach billigen Ermessen erfolgt ist (im Anschluß an BAG, Urteil vom 10. November 1994 – 2 AZR 242/94).

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 16.06.1994; Aktenzeichen 14 Ca 205/92)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 07.11.1996; Aktenzeichen 2 AZR 720/95)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 16. Juni 1994 – 14 Ca 205/92 – wie folgt abgeändert:

Die Klage zu 2 wird insgesamt als unzulässig abgewiesen.

Im übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 5/11, die Beklagte zu 6/11.

Die Revision wird zugelassen hinsichtlich der Zurückweisung der Berufung der Beklagten bezüglich des Klagantrages zu 1.

 

Tatbestand

Mit seiner am 07. Juli 1992 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte mit Schreiben vom 23. Juni 1992 zum 31. Dezember 1992.

Der im Zeitpunkt der Klagerhebung 47 Jahre alte Kläger ist seit dem 16. Januar 1967 bei der Beklagten zuletzt als technischer Arbeitsvorbereiter in der Satzproduktion beschäftigt. Sein zuletzt bezogenes Bruttogehalt betrug nach Angabe des Klägers DM 8.387,02, was die Beklagte im Hinblick auf die Berechnung und Höhe unter Hinweis auf das Parallelverfahren 14 Ca 316/93 bestreitet. Im Betrieb der Beklagten waren im Zeitpunkt der Kündigung mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt.

Die Beklagte gliedert sich in verschiedene Unternehmensbereiche, u. a. Unternehmensbereich Zeitschriften, (UBZ) und Unternehmensbereich Druck (UBD). Der Kläger war im Unternehmensbereich Druck im Betrieb Hamburg, Mühlenkamp (UBD Hamburg), tätig. Zum Unternehmensbereich Druck gehört außerdem ein Betrieb in Itzehoe. Im Hamburger Betrieb Mühlenkamp wurden 47 Mitarbeiter im Betriebsteil Satzherstellung beschäftigt. In dem Betriebsteil Bildherstellung waren 105 Mitarbeiter tätig. Satzarbeiten wurden innerhalb des gesamten UBD nur in dem Betriebsteil Satzherstellung des Betriebes Mühlenkamp erledigt. Der Betriebsteil Satzherstellung wurde zum 31. Dezember 1992 von der Beklagten stillgelegt. Hintergrund ist die branchenübliche Nutzung leistungsfähiger redaktioneller Computersysteme, mit deren Hilfe die satztechnische Gestaltung von Redaktionsseiten durch den Einsatz von Redaktionspersonal erfolgen kann.

Seit dem 01. Januar 1993 gibt es für den UBD Hamburg keine Satzaufträge mehr. Die Beklagte selbst organisiert sich hinsichtlich ihrer eigenen, im Unternehmensbereich Zeitschriften hergestellten Produkte („Brigitte”, „Stern”, „GEO” u.a.) um und entzog dem Unternehmensbereich Druck die entsprechenden Aufträge. Andere Unternehmen – Bucerius GmbH („Die Zeit”, „Zeitmagazin”), Ehrlich & Sohn („Frau im Spiegel”) – kündigten ihre Aufträge zum 31. Dezember 1992.

Bereits im Mai und September 1991 kam es hierüber mit dem Betriebsrat des UBD Hamburg zu Gesprächen. Im Januar 1992 wurden die Verhandlungen über einen Interessenausgleich aufgenommen. Am 04. Juni 1992 wurde in der Einigungsstelle das Scheitern des Interessenausgleiches festgestellt, die sodann über einen Sozialplan weiter verhandelte, der durch Beschluß der Einigungsstelle vom 23. Juni 1992 aufgestellt wurde (Anlage B 1, Bl. 39– 43 d.A.). Durch Beschluß des, Landesarbeitsgerichtes Hamburg vom 24. Januar 1994 – 5 Ta Bv 1/93 – ist dieser Spruch der Einigungsstelle rechtskräftig für unwirksam erklärt worden.

Bei Beginn der Interessenausgleichsverhandlungen war seitens der Geschäftsleitung darauf hingewiesen worden, daß im anderen Betriebsteil des UBD Hamburg, nämlich im Bereich Bildherstellung durch vorruhestandsähnliche Regelungen Arbeitsplätze freigemacht werden könnten. Es handelte sich um Tätigkeiten in den Bereichen Foto/Scanner, Scanner-Vorbereitung und Dispositionsplanung. Es wurden nach Angaben des Klägers neun, nach Angaben der Beklagten fünf derartige vorruhestandsähnliche Regelungen getroffen.

Neun Kollegen des Klägers aus dem Betriebsteil Satzherstellung sind vom UBZ als sog. Schlußredakteure in den Betrieb in Hamburg, Baumwall, übernommen worden. Diese neun Stellen für Schlußredakteure wurden am 10. Januar 1992 auch im Betrieb Mühlenkamp ausgeschrieben. Am 11. Juni 1992 war das Auswahlverfahren beendet. Neun Arbeitnehmer waren gefunden, die vom UBD in den UBZ wechseln sollten. Die Beklagte schaltete den Betriebsrat des UBZ gemäß § 99 Betr...

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