rechtskräftig

 

Leitsatz (amtlich)

Gegen die persönliche Abhängigkeit der Leiterin einer Zeitungsvertriebsstelle und damit gegen deren Arbeitnehmereigenschaft spricht es, wenn diese eigene Zeitungszustellerinnen und Zeitungszusteller beschäftigt und das Volumen der zu verteilenden Zeitungen erheblich über das hinausgeht, was eine Einzelne in der vorgegebenen Zeit leisten kann. Die Berechtigung, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen, bedeutet einen eigenen Gestaltungsspielraum, der gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht. Es kann entscheidend sein, dass die vertraglich geschuldete Leistung nicht nur ausnahmsweise, sondern im Regelfall und über größere Zeiträume durch Dritte erbracht worden ist. Demgegenüber ist eine Vorgabe zur Betextung des Vertriebsstellen-Anrufbeantworters kein Indiz für eine Arbeitnehmereigenschaft, weil auch freie Handelsvertreter generellen Weisungen unterliegen.

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 25.10.2000; Aktenzeichen 15 Ca 112/00)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 25. Oktober 2000 – 15 Ca 112/00 – abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem zwischenzeitlich beendeten Vertragsverhältnis.

Die 39-jährige Klägerin leitete vom 1. Mai 1986 bis zum 30. September 1998 eine Zeitungs-Vertriebsstelle in Hamburg und organisierte und führte dabei im Auftrag der Beklagten die Zustellung von Zeitungen an Abonnenten durch. Die Grundlage des Vertragsverhältnisses bildete ein schriftlicher Vertrag vom 1. Mai 1986 (Anlage K 1, Bl. 7-11 d.A.), wonach die Klägerin als „Spediteur bzw. Frachtführer im Sinne der §§ 407 f. und 425 f. HGB für den Verlag tätig wird”.

Die Klägerin hatte zur Ausführung ihrer Tätigkeit die notwendigen Betriebsräume selbst angemietet. Dorthin wurden von der Beklagten die auszuliefernden Zeitungen geliefert. Das Büro der Klägerin hatte zu festgelegten Geschäftszeiten besetzt zu sein, auch die Entgegennahme der angelieferten Zeitungen musste gewährleistet werden. Zumindest seit 1992 hat sich die Klägerin zur (Mit-)Erfüllung dieser Aufgaben eines teilzeitbeschäftigten Büroangestellten, Herrn xxxxx, bedient. Daneben setzte sie rund 50 Zeitungszusteller ein, mit denen sie unter Verwendung von der Beklagten zur Verfügung gestellter Formular-Verträge (entsprechend Anlage K 10, Bl. 67 d.A.) ihrerseits Spediteur- bzw. Frachtführer-Verträge geschlossen hatte. Die Klägerin erhielt von der Beklagten nach der vertraglichen Vereinbarung (§ 3 des Vertrages) für ihre Tätigkeit eine abonnementstückzahl-bezogene monatliche Vergütung zuzüglich Mehrwertsteuer, in die die Vergütung für die von der Klägerin eingesetzten Zusteller eingerechnet war. Nach § 3 Abs. 4 der vertraglichen Regelung war die Klägerin verpflichtet, mit ihren Zustellern abzurechnen und dabei den vom Verlag vorgeschriebenen Zustellnutzen sowie vereinbarte sonstige Vergütungen auszuzahlen. Außerdem erhielt die Klägerin einen pauschalen Vertriebsstellenzuschuss und eine Kostenbeteiligung für die Bereitstellung von Nachlieferdiensten (DM 110,00 und DM 100,00, Stand: April 1989).

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass es sich bei ihrem Vertragsverhältnis zur Beklagten, trotz anders lautender Bezeichnung und entsprechender Abrechnungshandhabung, um ein Arbeitsverhältnis gehandelt habe. Die Beklagte sei verpflichtet, ihr den Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Nichtabführung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung entstanden sei. Nach amtsärztlichem Gutachten vom 29. Januar 1989 (Anlage K 8, Bl. 25 f. d.A.) liege eine Erwerbsunfähigkeit der Klägerin im Sinne der Rentenversicherung vor. Für eine Inanspruchnahme einer Erwerbsunfähigkeitsrente im Sinne des § 44 SGB VI fehle es allerdings an der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit durch Leistungen der Pflichtbeiträge seitens der Beklagten. Eine Beitragsnachentrichtung komme wegen des Leistungsfalleintritts jedenfalls seit Januar 1999 nicht in Betracht.

Die Klägerin hat vorgetragen: Sie habe in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten gestanden, da diese bis in die letzten Einzelheiten hinein das Vertragsverhältnis bestimmt habe. So habe die Beklagte der Klägerin einen bestimmten Bezirk zugewiesen, wodurch ihre Verdienstmöglichkeiten erschöpfend geregelt gewesen seien. Ebenso sei die Zustellung weiterer Zeitungen neben dem xxxxxxxxxxxxxxxxxx ab Ende 1994 einseitig durch die Beklagte angeordnet worden.

Daneben seien die Geschäftszeiten von der Beklagten stets vorgegeben und mehrfach einseitig geändert worden. Dies ergebe sich unter anderem aus den Schreiben der Beklagten vom 29. April 1987 (Anlage K 2, Bl. 12 d.A.) und vom 29. Februar 1988 (Anlage K 3, Bl. 13 d.A.). Mit letzterem sei darüber hinaus vorgegeben worden, wie der Anrufbeantworter der Vertriebsstelle zu besprechen gewesen sei.

Ebenso se...

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