Entscheidungsstichwort (Thema)

betriebsbedingte Kündigung. anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit. Betriebsratsanhörung. Auslegung einer Rationalisierungsschutzbetriebsvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Arbeitgeber muß bei der Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung zu geänderten Bedingungen die personelle Konkretisierung der Auswahlentscheidung nach den Maßstäben des § 1 Absatz 3 KSchG vornehmen, wenn die Zahl der für Versetzungen in Betracht kommenden Arbeitsplätze nicht für alle Arbeitnehmer ausreicht, deren Arbeitsplätze weggefallen sind.

2. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, eine Beschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen freien Arbeitsplatz habe zum Kündigungszeitpunkt nicht bestanden, weil dieser zuvor anderweitig besetzt worden sei, wenn die Kündigungsabsicht zum Zeitpunkt der Besetzung bereits bestanden hat.

3. Ein Arbeitnehmer kann sich u. a. dann nicht auf die Beschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen freien Arbeitsplatz berufen, weil es sich dabei um einen Arbeitsplatz mit besseren Arbeitsbedingungen im Sinne des Urteils des Bundesarbeitsgericht vom 29.3.1990, 2 AZR 369/89 = AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, handelt, wenn auf diesem Arbeitsplatz nach der im Unternehmen angewendeten Vergütungspraxis eine höhere Vergütung gezahlt wird. Dabei sind Schichtzulagen, die für die besonderen Belastungen der Schichtarbeit gezahlt werden, außer Betracht zu lassen.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 25.02.1993; Aktenzeichen 5 Ca 271/92)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 05.10.1995; Aktenzeichen 2 AZR 88/95)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 25. Februar 1993 – 5 Ca 271/92 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit seiner am 8. Juli 1992 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 23. Juni 1992, zugegangen am 24. Juni 1992 (Anl. K 1, Bl. 5 f. d. A.), zum 31. Dezember 1992.

Der am 24. Juli 1948 geborene Kläger ist seit April 1970 bei der Beklagten als Arbeitsvorbereiter tätig.

Der Kläger ist als, Arbeitsvorbereiter in die Gehaltsgruppe 6 des Gehaltstarifvertrages für Angestellte in der Druckindustrie in Hamburg und Schleswig-Holstein eingruppiert, für die in der höchsten Stufe nach vier Jahren in der Tätigkeit dieser Gruppe ab 1. April 1992 ein Tarifgehalt von DM 5.510,– galt. Unter Einbeziehung der Schichtzulagen belief sich der Monatsverdienst des Klägers auf DM 6.539,–.

Der Kläger hatte als Fachkraft Satz eine tarifliche Monatsvergütung von 4.041,– DM. Unter Einbeziehung der Schichtzulagen betrug der Monatsverdienst des Klägers 5.387,– DM.

Die Beklagte gliedert sich in verschiedene Unternehmensbereiche, u. a. Unternehmensbereich Zeitschriften (UBZ) und Unternehmensbereich Druck (UBD). Der Kläger war im Unternehmensbereich Druck im Betrieb Hamburg M. (UBD Hamburg) tätig. Zum Unternehmensbereich Druck gehört außerdem ein Betrieb in I.. Im Hamburger Betrieb M. wurden 47 Mitarbeiter im Betriebsteil Satzherstellung beschäftigt. In dem Betriebsteil Bildherstellung waren 105 Mitarbeiter tätig. Satzarbeiten wurden innerhalb des gesamten UBD nur dem Betriebsteil Satzherstellung des Betriebs M. erledigt.

Der Betriebsteil Satzherstellung des Betriebs M. wurde zum 31. Dezember 1992 von der Beklagten stillgelegt.

Hintergrund dieser Betriebsteilstillegung ist die branchenübliche Nutzung leistungsfähiger redaktioneller Computersysteme, mit deren Hilfe die satztechnische Gestaltung von Redaktionsseiten in den Redaktionen durch den Einsatz von Redaktionspersonal erfolgen kann, und außerdem die Kündigung von Satzaufträgen. Seit dem 1. Januar 1993 gibt es für den UBD Hamburg keine Satzaufträge mehr. Die Beklagte selbst organisierte sich hinsichtlich ihrer eigenen – im Unternehmensbereich Zeitschriften hergestellten – Produkte („B.”, „S.”, „G.” u. a.) um und entzog dem Unternehmensbereich Druck die entsprechenden Aufträge. Andere Unternehmen-B. GmbH („D.”, „Z.”), E. & Sohn („F.”) – kündigten ihre Aufträge zum 31. Dezember 1992.

Bereits im Mai und September 1991 kam es hierüber mit dem Betriebsrat des UBD Hamburg zu Gesprächen. Im Januar 1992 wurden die Verhandlungen über einen Interessenausgleich aufgenommen. Am 4. Juni 1992 wurde in der Einigungsstelle das Scheitern des Interessenausgleichs festgestellt. Sodann wurde über einen Sozialplan weiterverhandelt, der durch Beschluß der Einigungsstelle vom 23. Juni 1992 aufgestellt wurde (Anl. B 1, Bl. 34–38 d. A.). Durch Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 24. Januar 1994 – 5 Ta Bv 1/93 – ist dieser Spruch der Einigungsstelle für unwirksam erklärt worden. Die gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts von der Beklagten eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist durch Beschluß des 10. Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Juli 1994 – 10 ABN 19/94 – zurückgewiesen worden.

Bei Beginn der Interessenausgleichsverhandlungen war seite...

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