Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückzahlung von Ausbildungskosten aufgrund einer tarifvertraglichen Regelung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Einhaltung der Schranken, die die Rechtsprechung zur Zulässigkeit von einzelvertraglichen Vereinbarungen über die Rückzahlung von Ausbildungskosten entwickelt hat, ist dann nicht zu fordern, wenn die Vereinbarung nicht in einem Individualarbeitsvertrag, sondern in einem Tarifvertrag getroffen worden ist.

2. Das gilt auch dann, wenn der entsprechende Tarifvertrag nicht kraft Organisationszugehörigkeit, sondern aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet.

 

Normenkette

BGB § 611; GG Art. 12

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 16.11.1992; Aktenzeichen 25b Ca 327/92)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 06.09.1995; Aktenzeichen 5 AZR 172/94)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 16. November 1992 – 25b Ca 327/92 – wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 26.985,29 (Deutsche Mark sechsundzwandzigtausendneunhundertfünfundachtzig 29/100) nebst 4% Zinsen seit dem 27. April 1992 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Widerklage der Beklagten wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Rückzahlung von Ausbildungskosten.

Die Beklagte war als Krankenschwester in dem Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus des Klägers tätig. Gemäß arbeitsvertraglicher Vereinbarung fanden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Angestellten im Berufsgenossenschaftlichen Rehabilitationseinrichtungen (MTV) Ang-Arge Rena (zukünftig MTV) Anwendung.

Nr. 7 SR 2 a MTV hat folgenden Wortlaut:

  1. „Wird ein Angestellter im Pflegedienst, der unter die Anlage 1 b fällt, auf Veranlassung und im Rahmen des Personalbedarfs des Arbeitgebers fort- oder weitergebildet, werden, sofern keine Ansprüche gegen andere Kostenträger bestehen, vom Arbeitgeber

    1. dem Angestellten soweit er freigestellt werden muß, für die notwendige Fort- oder Weiterbildungszeit die bisherige Vergütung (§ 26) fortgezahlt

      und

    2. die Kosten der Fort- oder Weiterbildung getragen.
  2. Der Angestellte ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Aufwendungen für eine Fort- oder Weiterbildung im Sinne des Absatzes 1 nach Maßgabe des Unterabsatzes zu ersetzen, wenn das Arbeitsverhältnis auf Wunsch des Angestellten oder aus einem von ihm zu vertretenden Grunde endet. Satz 1 gilt nicht, wenn der Angestellte

    1. wegen Schwangerschaft oder
    2. wegen Niederkunft in den letzten 3 Monaten,
  3. gekündigt oder einen Auflösungsvertrag geschlossen hat.

Zurückzuzahlen sind, wenn das Arbeitsverhältnis endet

  1. im ersten Jahr nach Abschluß der Fort- oder Weiterbildung, die vollen Aufwendungen,
  2. im zweiten Jahr nach Abschluß der Fort- oder Weiterbildung, 2/3 der Aufwendungen,
  3. im dritten Jahr nach Abschluß der Fort- oder Weiterbildung, 1/3 der Aufwendungen.”

Die am 26. Juli 1963 geborene Beklagte schloß am 04. März 1986 ihre Ausbildung zur Krankenschwester ab. In der Zeit vom 01. April 1986 bis zum 31. Mai 1988 war sie bei dem Kläger als Krankenschwester tätig. Danach war sie in der Zeit vom 01. Juni bis 31. August 1988 als Krankenschwester im Krankenhaus I. und in der Zeit vom 01. September 1988 bis zum 05. Mai 1989 als Krankenschwester im OP-Dienst in der P. Klinik in G. tätig.

Gemäß Arbeitsvertrag vom 02. Mai 1989 (Bl. 49 d.A.) wurde die Beklagte sodann wieder bei dem Kläger als Krankenschwester ab 06. Mai 1989 eingestellt und in die Vergütungsgruppe Kr V eingereiht. Sie wurde dort im OP-Dienst eingesetzt.

Im Herbst 1989 kam es zwischen den Parteien zu Gesprächen über eine Fortbildung der Beklagten zur Fachkrankenschwester im OP-Dienst in Form eines einjährigen Lehrganges, der am Allgemeinen Krankenhaus H.-A. abgehalten wurde. Mit Schreiben vom 13. Oktober 1989 (Bl. 11 d.A.) teilte der Kläger der Beklagten mit, daß die in diese Zeit fallende Gehaltsfortzahlung sowie die zusätzlichen Aufwendungen nach Maßgabe der Nr. 7 SR 2 a MTV zurückzuzahlen seien.

Die Beklagte nahm in der Zeit vom 02. Januar bis 21. Dezember 1990 an dem Lehrgang teil. Für diese Zeit wandte der Kläger einschließlich Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung insgesamt 54.782,05 DM auf (zur Spezifikation vgl. Abrechnung vom 14. März 1991, Anlage 4 zum Schriftsatz des Klägers vom 10.08.1992, Bl. 12 d.A.).

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zu dem Kläger fristgerecht zum 31. März 1992 und nahm ab 01. April 1992 eine neue Tätigkeit als stellvertretende Leitende OP-Schwester im Krankenhaus J. in H. unter Einreihung in die Vergütungsgruppe Kr VI auf.

Aufgrund einer Betriebsvereinbarung forderte der Kläger von der Beklagten in Abweichung von der tariflichen Regelung der Nr. 7 SR 2 a MTV die Rückzahlung der Ausbildungskosten in Höhe von 21/36 von 54.782,05 DM, somit in Höhe von 31.956,20 DM. die er mit Schreiben vom 29. Januar 1992 (Bl. 13 d...

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