Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebe im Inland. Betriebsbegriff. Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes. Betriebsbedingte Kündigung. Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Ausland

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist der Begriff des Betriebes in § 23 Abs. 1 KSchG so auszulegen, dass er nur Betriebe in Deutschland betrifft, so gilt dieses in gleicher Weise für den in § 1 Abs. 2 KSchG gebrauchten Begriff des Betriebes.

2. Betriebe im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes sind nicht nur in Deutschland gelegene organisatorische Einheiten, die den Betriebsbegriff erfüllen, sondern auch solche im Ausland.

 

Normenkette

KSchG §§ 1, 4, 23

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 06.12.2010; Aktenzeichen 22 Ca 196/10)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 6. Dezember 2010 – 22 Ca 196/10 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt die Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung.

Die 1963 geborene verheiratete Klägerin, die zwei Kinder hat und mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehindert ist, wird von der Beklagten, einer Fluglinie, seit dem 1. Januar 1997 beschäftigt, zuletzt bei einer Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche mit einem Bruttomonatsentgelt von EUR 2120 als Airport Manager (Stationsleiterin) in Hamburg. Der Beschäftigung liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 18. Juni 1996 zugrunde, wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage K 1 zur Klagschrift (Bl. 4 ff d.A.) verwiesen wird. Mit Schreiben vom 21. Juni 2010 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. November 2011, nachdem das Integrationsamt Berlin mit Bescheid vom 14. Juni 2010 die Zustimmung zum Ausspruch einer ordentlichen Kündigung erteilt hatte. Eine zuvor bereits am 22. April 2010 ausgesprochene Kündigung, vor deren Ausspruch die Beklagte mangels Kenntnis der Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin die Zustimmung des Integrationsamts nicht eingeholt hatte, wurde von der Beklagten in einem vorhergehenden Kündigungsschutzprozess, der daraufhin für erledigt erklärt wurde, „zurückgenommen”. Alle Beschäftigten der Beklagten in Deutschland, die sich nicht in Elternzeit befanden oder schwerbehindert sind, erhielten eine Kündigung mit Schreiben vom 22. April 2010, die zwei sich in Elternzeit befindlichen und die drei schwerbehinderten Menschen erhielten nach Zustimmung der entsprechenden Behörde eine Kündigung mit Schreiben vom 21. Juni 2010. Drei Arbeitsverhältnisse wurden zum 31. Mai 2010 gekündigt, eines zum 31. Juli 2010, drei zum 31. August 2010, drei weitere zum 30. September 2010, eines zum 31. Oktober 2010, vier zum 30. November 2010 und zwei zum 31. Januar 2011.

Die Beklagte ist eine Kapitalgesellschaft ungarischen Rechts mit Hauptsitz in Budapest, die zuletzt vier Büros in Deutschland unterhielt, nämlich in Hamburg, München, Berlin Stadt und Berlin Flughafen. Ein Büro in Frankfurt wurde bereits im Jahre 2006 geschlossen. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung waren in Deutschland 14 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tätig, drei Beschäftigte waren aufgrund von Ende April 2010 ausgesprochenen Kündigung zum 31. Mai 2010 ausgeschieden. Niederlassungen der Beklagten in Frankreich und Italien verfügten über je vier und in der Schweiz über zwei Beschäftigte bei gleichem Passagieraufkommen wie in Deutschland.

Die Klägerin hatte die Aufgaben, die Flüge und die Airport Handling Company zu beaufsichtigen und zu kontrollieren. Wegen der Einzelheiten eines Arbeitsplatzbeschreibung wird auf die Anlage K 3 zum Schriftsatz der Klägerin vom 17. September 2010 (Bl. 44 ff d.A.) verwiesen. Die von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten werden derzeit zumindest teilweise von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einer Airport Handling Company ausgeführt. Die Klägerin war unmittelbar dem in der Zentrale der Beklagten tätigen Airport Area Manager unterstellt, dieser der Operations Control Directorate, diese dem Chief Operational Officer und dieser dem CEO. Wegen der Einzelheiten des Organigramms der Beklagten wird auf die Anlage K 4 zum Schriftsatz der Beklagten vom 1. November 2010 (Bl. 64 d.A.) verwiesen.

Bis 2008 existierte ein für die deutschen Büros der Beklagten gebildeter Betriebsrat.

Am 8. September 2009 gab der Vorstandsvorsitzende der Beklagten vor einem Notar in Budapest eine Erklärung ab, wegen deren Einzelheiten auf die Anlage 6 zum Schriftsatz der Beklagten vom 15. Oktober 2010 (Bl. 56 f d.A.) verwiesen wird. Mit Schreiben vom 27. April 2010 kündigte die Beklagte das Mietverhältnis über das Flughafenbüro zum 31. Dezember 2010.

Die Klägerin ist von dem Beklagten seit dem 9. August 2009 unwiderruflich freigestellt worden. Seit dieser Zeit ist das Flughafenbüro geschlossen.

Die Beklagte fliegt den Flughafen Hamburg und Flughäfen in Frankfurt, Berlin und Stuttgart unverändert an.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt sei. Die deutschen Büros der Beklagten bildeten keinen Be...

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