Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmerstatus eines Außendienstmitarbeiters?

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Frage des Arbeitnehmerstatus eines freien Mitarbeiters beurteilt sich bei Versicherungsvertretern nach § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB entsprechend den von Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinen Entscheidungen vom 15. Dezember 1999 dargelegten Grundsätzen.

2. Es kommt darauf an, ob der Außendienst-Partner (wie hier der Kläger nach dem Außendienst-Partner-Vertrag genannt wird) im wesentlichen frei Seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Dabei läßt bereits das Adverb im wesentlichen gewisse Einschränkungen zu. Damit verträgt sich die Pflicht, einmal wöchentlich (jeweils freitags zu einer bestimmten Stunde) dem Orgaleiter in dessen Büro zur Verfügung zu stehen.

3. Es ist ebenfalls nicht erheblich, daß Arbeitskollegen die gleichen Aufträge erhalten, jedoch auf der Grundlage von Arbeitsverträgen ihre Arbeit verrichten, zumal die Außendiensttätigkeit im Versicherungswesen dadurch geprägt ist, daß die Arbeit ganz überwiegend außerhalb des Büros anfällt.

4. Vorschriften, die den Mitarbeiter auf die Regeln gegen den unlauteren Wettbewerb verpflichten und die ihm untersagen, sich untereinander Konkurrenz zu machen (d. h. unter Kollegen, die denselben Arbeitgeber bzw. Auftraggeber haben), sagen über den Arbeitnehmerstatus so wenig aus wie Vorschriften, nach denen ausschließlich Produkte aus dem Angebot des Auftraggebers und der mit ihm im Konzern verbundenen anderen Versicherungsunternehmen (Kooperationspartner genannt) den (potentiellen) Kunden angeboten werden dürfen. Mit der Gestaltungsfreiheit des Außendienst-Partners hat das alles allenfalls mittelbar etwas zu tun. Auch eine Berichtspflicht ist mit dem Status eines freien Mitarbeiters nicht grundsätzlich unvereinbar.

5. Wird der freie Mitarbeiter bei seiner Tätigkeit jedoch gezielt kontrolliert (z. B. durch Telefonanrufe bei Kunden, ob dieser bereits besucht worden sei) und wird ihm im Falle der Nichtübernahme eines ihm angebotenen (bzw. einfach in sein Fach auf der Geschäftsstelle gelegten) Auftrags eine Sanktion angedroht (Kritikgespräche bis hin zum Verlust des Versicherungsbestands, der ihm überlassen wurde), so kann der Grad der persönlichen Abhängigkeit so hoch sein, daß allein der Schluß auf den Arbeitnehmerstatus geboten ist. Letztlich hängt alles von den gesamten Umständen ab. Dabei trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast.

 

Normenkette

HGB § 84 I 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 07.09.2000; Aktenzeichen 26 Ca 328/99)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 7. September 2000 – 26 Ca 328/99 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und die Wirksamkeit einer von der Beklagten erklärten Kündigung.

Die Beklagte betreibt eine Krankenversicherung. Sie ist gegliedert in Filialdirektionen, die jeweils einem Filialdirektor unterstehen. Die im Außendienst für die Beklagte tätigen Versicherungsvertreter sind jeweils einem Orgaleiter/einer Orgaleiterin zugeordnet, und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen angestellten Versicherungsvertreter handelt oder einen freien Versicherungsvertreter, einen sog. Außendienst-Partner.

Der heute 52 Jahre alte Kläger war für die Beklagte nach einer angestellten Tätigkeit im Innendienst (von April 1967 bis Ende 1970) seit Ende 1970 bzw. Anfang 1971 als Außendienst-Partner tätig. Damit setzte der Kläger nach dem übereinstimmenden Verständnis beider Parteien seine Tätigkeit für die Beklagte nunmehr als selbständiger Versicherungsvertreter fort.

Mit Schreiben vom 8. Oktober 1999 kündigte die Beklagten den Außendienst-Partner-Vertrag zum 30. April 2000 (Bl. 4 d. A.). Der Kläger, der seit April 1999 durchgehend mindestens bis zum Herbst 2001 arbeitsunfähig krank gewesen ist, wehrt sich gegen diese Kündigung. Nach seinem heutigen Verständnis ist er für die Beklagte als Arbeitnehmer tätig gewesen.

Der „Außendienst-Partner Vertrag”, der die Grundlage der Zusammenarbeit bildete, liegt dem Gericht in der Fassung vom 3. Dezember 1996 vor. Darin heißt es unter Ziffer 1. Herr … (d. i. der Kläger) werde als selbständiger Außendienst-Partner im Sinne der §§ 84 ff HGB damit betraut. Kranken-/Pflegeversicherungsanträge, Lebens- und Rentenversicherungsanträge. Sachversicherungsanträge, Bausparanträge sowie Elektronikversicherungsanträge zu vermitteln. Die Ziffern 2–5 haben folgenden Wortlaut:

„2. Daneben ist es Ihre Aufgabe, die bestehenden Versicherungen zu erhalten. Zu diesem Zweck pflegen Sie taufend Kontakt mit den Versicherungsnehmern, beraten sie aus eigener Initiative oder auf deren Wunsch, mit dem Ziel, daß der Kunde umfassend versichert ist und bleibt.

3. Im Rahmen Ihrer Tätigkeit können Sie bevollmächtigt werden, Kündigungsrücknahmen zu erwirken und rückständige Beiträge zu kassieren.

4. Ihre Tätigkeit können Sie frei gestalten und Ihre Arbeitszeit frei bestimme...

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