Entscheidungsstichwort (Thema)

Bildungsurlaub nach dem Hamburgischen Bildungsurlaubsgesetz. Bildungsurlaub. Berufliche Weiterbildung. Verfassungskonforme Ausbildung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Bildungsveranstaltung „Spanisch – Mittelstufe” dient der beruflichen Weiterbildung im Sinne des § 1 Hamb. Bildungsurlaubsgesetz (juris BiUrlG HA), wenn der Arbeitgeber Fremdsprachenkenntnisse für wünschenswert hält.

Es obliegt nicht dem Arbeitgeber zu beurteilen, ob der Arbeitnehmer bereits hinreichende Fremdsprachenkenntnisse hat.

 

Normenkette

Hamburgisches Bildungsurlaubsgesetz §§ 1, 3; GG Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 5; ZPO § 264 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 25.06.1996; Aktenzeichen 25 Ca 148/96)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.02.1998; Aktenzeichen 9 AZR 100/97)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 25. Juni 1996 – 25 Ca 148/96 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß festgestellt wird, daß der Klägerin Bildungsurlaub unter Weitergewährung der Bezüge in der Zeit vom 14. Oktober bis 25. Oktober 1996 für den Besuch der Bildungsveranstaltung „Spanisch-Mittelstufe” in Quito/Ecuador gemäß § 3 Hamburgisches Bildungsurlaubsgesetz zustand.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin nach dem Hamburgischen Bildungsurlaubsgesetz ein zweiwöchiger Bildungsurlaub unter Weitergewährung der Bezüge zustand.

Die Klägerin ist seit Oktober 1986 bei der Beklagten als Bankkauffrau beschäftigt. Bis Oktober 1994 war sie in der Auslandsabteilung, seit dem 15. November 1994 ist sie als Organisatorin in der Organisationsabteilung der Beklagten eingesetzt.

In den Jahren 1989 und 1994 gewährte die Beklagte der Klägerin Freistellung für je einen Spanisch-Sprachkurs. In den Jahren 1995 und 1996 hat die Klägerin noch keinen Bildungsurlaub genommen.

Die Klägerin arbeitet in ihrer Freizeit ehrenamtlich als Spanisch-Übersetzerin.

Mit Schreiben vom 12. Januar 1996 bat die Klägerin die Beklagte um Freistellung nach dem Hamburgischen Bildungsurlaubsgesetz für die Zeit vom 14. Oktober bis zum 25. Oktober 1996 für die Bildungsveranstaltung „Spanisch-Mittelstufe” in Quito/Ecuador (Bl. 11 d. A.). Diese Bildungsveranstaltung ist von der zuständigen Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung der Freien und Hansestadt Hamburg unter dem Aktenzeichen: B 231–406.07.5, 19764 als geeignete Bildungsmaßnahme nach dem Hamburgischen Bildungsurlaubsgesetz anerkannt worden.

Mit Schreiben vom 29. Januar 1996 lehnte die Beklagte die begehrte Freistellung unter Hinweis darauf ab, daß im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Hamburgischen Bildungsurlaubsgesetzes nicht erfüllt seien (Bl. 13 d. A.).

Mit Schreiben vom 29. März 1996 (Bl. 14 d.A.) teilte der Veranstalter der Bildungsmaßnahme der Klägerin die einzelnen Bestandteile des Kurses wie folgt mit:

„Die Bildungsveranstaltung umfaßt täglich

  • vormittags vier Stunden Sprachunterricht in der Schule sowie verpflichtend nachmittags oder abends
  • entweder Vorträge in der Schule oder Veranstaltungen zu sozialen, politischen oder kulturellen Themen außerhalb der Schule, die alle der Anwendung der spanischen Sprache dienen, wie z. B.
  • Zur Situation der Indios in Ecuador
  • Einladung und Gespräch mit örtlichen Persönlichkeiten, darunter Gewerkschafter, Vortrag über politische Parteien in Ecuador
  • Diskussionen mit einheimischen Vertretern lokaler politischer Parteien
  • Die Landflucht
  • Entstehung der Galapagos Inseln
  • Diaabend: „Land und Leute Ecuadors”
  • Einführung in die Problematik der Urwaldabholzung
  • Stadtbesichtigung von Quito gemeinsam mit Lehrern”

Die Klägerin war der Ansicht, daß die Bildungsveranstaltung neben der Vermittlung von Sprachkenntnissen der politischen Bildung diene. Wie sich aus den Unterlagen des Veranstalters ergebe, gehe es vornehmlich um eine landeskundlich-politische Thematik, die auch Auswirkungen auf Deutschland habe (z. B. Auswirkungen auf das Weltklima, Verschuldung der Dritten Welt).

Die Bildungsveranstaltung diene weiterhin der beruflichen Weiterbildung der Klägerin, da durch die Vermittlung weiterer Spanischkenntnisse die berufliche Qualifikation und Mobilität der Klägerin erhöht werde. Auch wenn die Klägerin in ihrem aktuellen Tätigkeitsbereich keine weiteren Spanischkenntnisse benötige, sei es durchaus möglich, daß sie in der Zukunft in anderen Abteilungen der Beklagten eingesetzt werde. Bei Stellenausschreibungen würden aber allgemein – und so auch bei der Beklagten – Fremdsprachenkenntnisse verlangt.

Letztlich sei der Besuch einer Bildungsveranstaltung dann vom Arbeitgeber zu gestatten, wenn der Arbeitnehmer sich dadurch für die Wahrnehmung einer ehrenamtlichen Tätigkeit qualifiziere. Dies sei vorliegend der Fall, da die Klägerin ehrenamtlich als Spanisch-Übersetzerin arbeite.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr Bildungsurlaub unter Weitergewährung der Bezüge in der Zeit vom 14. Oktober bis 25. Oktober 1996 für den Besuch der Bildungsveranstaltun...

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