Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsgewährung an sämtlichen Kalendertagen lt. Tarifvertrag. Übergang von der Tarifregelung, daß alle Tage von Montag bis Freitag als Urlaubstage zählen, zur Regelung, daß als Urlaubstage alle Tage von Montag bis Sonntag rechnen

 

Leitsatz (amtlich)

Kraft Tarifautonomie und tariflichen Vorrangprinzips können die Tarifvertragsparteien wirksam (auch zum Nachteil der ArbN) als Urlaubstage statt wie bisher von Montag bis Freitag von Montag bis Sonntag definieren.

Sie können sämtliche Tage einer Woche auch dann auf den (Gesamt-)Urlaub anrechnen, wenn in die jeweilige Woche ein, gesetzlicher Feiertag fällt.

Dabei darf jedoch der gesetzliche Mindesturlaub von derzeit 24 Werktagen nicht unterschritten werden.

 

Normenkette

BUrlG §§ 1-2, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 S. 1; SeemG § 53 Abs. 2, §§ 140-141

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 30.04.1996; Aktenzeichen S 5 Ca 330/95)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 11.08.1998; Aktenzeichen 9 AZR 111/97)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 30. April 1996 – S 5 Ca 330/95 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, den Urlaubsanspruch des Klägers mit Samstagen, Sonntagen und Wochenfeiertagen zu verrechnen, insbesondere darüber, ob das tarifliche Urlaubsrecht, das diese Verrechnung vorsieht, nichtig ist.

Der Kläger steht seit 1984 als Steward in einem Heuerverhältnis zur Beklagten, die das Kreuzfahrtschiff MS … betreibt.

Auf das Heuerverhältnis ist der zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), Bezirksverwaltung Weser-Ems, vereinbarte Haustarifvertrag anwendbar, d. i. der Rahmentarifvertrag für die Hapag-Lloyd Kreuzfahrten GmbH, und zwar in der jeweils gültigen Fassung. Der Kläger ist Mitglied der ÖTV.

Während der Rahmentarifvertrag (RTV) vom 1. Januar 1987 i. d. F. vom 1. Juli 1991 als Urlaubstage „alle Tage von Montag bis Freitag” definiert, sieht die Neufassung vom 1. Januar 1995 die Anrechnung aller Kalendertage auf den Urlaub vor und werden als Urlaubstage „alle Tage von Montag bis Sonntag” gerechnet. Die Tarifnorm des § 28 Abs. 4 RTV i. d. F. vom 1. Juli 1991, die bestimmte, daß die auf einen Wochentag fallenden gesetzlichen Feiertage „in dem nach dem 1.1.1989 erworbenen Urlaub (nicht mitzählen)”, fehlt in der Neufassung des RTV.

Der Kläger hält die neue Regelung für einen Verstoß gegen § 53 Abs. 2 SeemG, zu dessen Konkretisierung § 3 Abs. 1 BUrlG heranzuziehen sei. Sonntage und Wochenfeiertage könnten danach nicht mit Urlaubstagen verrechnet werden. Soweit nach §§ 140, 141 SeemG von § 53 SeemG abweichende ungünstigere Tarifnormen zulässig seien, finde die Tarifautonomie an der Unabdingbarkeit der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 BUrlG i. V. m. § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG ihre Grenze. Diese aber sei hier überschritten worden. Es gehe vor allem auch nicht an, daß einerseits nach § 7 RTV in der ab 1. Januar 1995 gültigen Fassung Besatzungmitglieder an Samstagen und Sonntagen nicht zur Arbeit verpflichtet seien und andererseits diese Tage auf Urlaubstage angerechnet werden dürften.

Der Kläger hat darüber hinaus die Neuregelung in § 17 Ziff. 2 Buchst. e RTV beanstandet, die im Falle von Urlaubsgewährung „im voraus” bestimmt, daß 2/3 des zu viel gezahlten Urlaubsentgelts zurückverlangt werden kann, wenn das Besatzungsmitglied kündigt.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß

  1. die Beklagte nicht berechtigt ist, auf vom Kläger seit dem 1. Januar 1995 erworbene Urlaubsansprüche Freizeitgewährung an Samstagen, Sonntagen und Wochenfeiertagen zu verrechnen.
  2. der Beklagten keine Rechte aus § 17 Ziff. 2 Buchst. e RTV i. d. F. vom 1. Januar 1995 zustehen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt zur Berechnung der Urlaubstage nach Kalendertagen und zur Anrechnung der Urlaubstage auch auf Samstage, Sonntage und Wochenfeiertage die Auffassung, daß diese Regelung von der Tarifautonomie gedeckt sei, weil in den unabdingbaren Urlaubsanspruch des Klägers nicht eingegriffen werde.

Auf das weitere erstinstanzliche Vorbringen der Parteien wird ergänzend Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 30. April 1996 die Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 1) als unbegründet und hinsichtlich des Klageantrags zu 2) als unzulässig abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen (Bl. 7–12 d.A.).

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen Klageantrag zu 1) weiter, der die Unzulässigkeit der Anrechnung von Samstagen, Sonntagen und Wochenfeiertagen betrifft.

Auf die Berufungsbegründung wird Bezug genommen (Bl. 50–52 d. A.).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 30. April 1996 – S 5 Ca 330/95 – wie folgt abzuändern:

Die Beklagte wird verpflichtet, auf vom Kläger seit dem 1. Januar 1995 erworbene Urlaubsansprüche nur Freizeitgewährung an den Tagen von Montag bis Freitag (soweit auf diese Tage kein Feiertag fällt) zu verrechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Be...

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