Entscheidungsstichwort (Thema)

Verurteilung zu vorgegebener Formulierung im Zeugnis verstößt nicht gegen Art. 5 Abs 1 GG

 

Leitsatz (amtlich)

§ 109 I 3 GewO ist auch dann mit der Verfassung vereinbar, wenn die Anwendung der Norm zu einer Verurteilung des Arbeitgebers zur Erteilung eines Zeugnisses führt, dessen Formulierung vom Gericht vorgegeben worden ist.

– Der Arbeitgeber, der ein qualifiziertes Zeugnis erteilt hat, kann den Arbeitnehmer nicht auf ein einfaches Zeugnis verweisen, nur weil der Arbeitnehmer verlangt, dass das Zeugnis den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

 

Normenkette

GewO § 109 Abs. 1 S. 3; GG Art. 5 Abs. 1; BGB § 362 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 05.06.2007; Aktenzeichen 21 Ca 48/07)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 05.06.2007 (21 Ca 48/07) wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Inhalt eines Zeugnisses.

Der Beklagte ist Rechtsanwalt und betreibt ein juristisches Repetitorium. Die Klägerin war vom 22.02. bis zum 28.06.2006 für den Beklagten als Rechtsanwaltsfachangestellte für eine monatliche Vergütung in Höhe von EUR 1.300,– brutto tätig. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund fristgemäßer Kündigung während der Probezeit, nachdem das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit einer vom Beklagten ausgesprochenen fristlosen Kündigung in einem Vorprozess (21 Ca 290/06) rechtskräftig festgestellt hatte.

Unter dem 28.12.2006 erteilte der Beklagte der Klägerin ein Zeugnis folgenden Inhalts:

„Frau M. R., geb. *1982, war in der Zeit vom 22.02.2006 bis zum 28.06.2006 in unserer Kanzlei als Rechtsanwaltsfachangestellte mit 40 Wochenstunden beschäftigt.

Frau R. erledigte die berufstypischen Arbeiten. Dazu gehören (Anmerkungen zu Leistungen in Klammern):

– Anschreiben und Übersendungszettel (meist fehlerhaft)

– Empfang von Mandanten (freundlich und bemüht)

– Telefondienst (mit meist gutem Erfolg)

– Aktenführung (mit wenigen Fehlern)

– Bearbeitung der ein- und ausgehenden Post (gut)

– Führung des Terminkalenders (nur unter Aufsicht)

– Anfertigung von Schriftsätzen nach Banddiktat (bei deutlichem Sprechen)

Frau R. erledigte diese Arbeiten mit angemessener Schnelligkeit. Die von ihr angefertigte Korrespondenz konnte zumeist ohne wesentliche Änderung übernommen werden.

Des Weiteren fertigte Frau R. Gebührenrechnungen und Kostenfestsetzungsanträge in Zivilverfahren. Ihr gelang es dabei, die in der Ausbildung erworbenen Kenntnisse umzusetzen.

Sie hat sich bemüht, neu erworbene Kenntnisse in ihre tägliche Arbeit mit einfließen zu lassen. Sofern es ihr nicht möglich war, die ihr aufgetragenen Arbeiten innerhalb der regulären Arbeit zu beendigen, war Frau R. auch zu Überstunden bereit.

Frau R. hat die ihr übertragenen Arbeiten weitestgehend zu unserer Zufriedenheit ausgeführt. Sie war stets pünktlich und akkurat gekleidet. Die Zusammenarbeit mit ihr war angenehm.

Durch erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten von Frau R. wurde der betriebliche Ablauf empfindlich gestört. Das Arbeitsverhältnis haben wir daher durch Kündigung in der Probezeit beendet.

Hamburg, den 28.12.2006”

Mit ihrer am 26.01.2007 bei Gericht eingegangenen Klage verlangte die Klägerin eine Berichtigung des Zeugnisses. Sie hat behauptet, die von ihr begehrten Änderungen entsprächen ihren tatsächlichen Leistungen und Fähigkeiten. Sie hat die Ansicht vertreten, das ihr erteilte Zeugnis entspreche nicht den Anforderungen des § 630 BGB, es enthalte abqualifizierende Bemerkungen, die ihr berufliches Fortkommen erheblich beeinträchtigen würden.

Am 15.02.2007 erwirkte die Klägerin ein Versäumnisurteil, mit dem der Beklagte verurteilt wurde, der Klägerin auf seinem Geschäftsbogen unter dem Datum 28.06.2006 ein von der Klägerin vorformuliertes Zeugnis zu erteilen, wegen dessen Inhalt auf Bl. 5 des angefochtenen Urteils (Bl. 143 d. A.) verwiesen wird. Der Beklagte legte gegen das Versäumnisurteil Einspruch ein. Er hat behauptet, die Klägerin sei in dem von ihm ausgestellten Zeugnis zutreffend beurteilt worden. Das Zeugnis sei bereits mit erheblichem Wohlwollen gegenüber der Klägerin formuliert. Die Formulierung des Zeugnisses sei im Übrigen allein Sache des Arbeitgebers. Ein Zeugnis enthalte auch eine Wertung, mithin eine Meinung des Arbeitgebers. Diese sei von Art. 5 I GG geschützt, so dass das Gericht den Beklagten gar nicht zwingen dürfe, eine ihm nicht eigene Meinung zu vertreten.

Der Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 15.02.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, auf seinem Geschäftsbogen mit Datum vom 28. Juni 2006 folgendes Zeugnis zu erteilen:

„Frau M. R. geb. *1982, war in der Zeit vom 22 Februar 2006 bis zum 28. Juni 2006 in unserer Kanzlei als Rechtsanwaltsfachangestellte auf Vollzeitbasis angestellt. Frau R. erledigte die berufstypischen Arbeiten. Hierzu gehören:

– Fertigung von Anschreiben und Übersendung...

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