Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristung. Wissenschaftliches Personal. Zitiergebot

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine an sich wirksame Drittmittelbefristung durch die Übertragung mit projektfremden Tätigkeiten in Frage gestellt wird, kommt es auf die Interessen des Drittmittelgebers sowie des betroffenen Arbeitnehmers an.

2. Die Übertragung projektfremder Aufgaben ist in der Regel unschädlich, wenn sie nach Art und Umfang mit der Tätigkeit, welche die Befristung trägt, typischerweise verbunden ist.

3. Bei wissenschaftlichen Mitarbeitern sind die Abwicklung früherer Projekte nebst Dokumentation und Wissenstransfer auf eventuelle Nachfolger, Lehrtätigkeiten mit fachlichem Bezug zum Projekt und die Mitwirkung an der Beantwortung von Anfragen übergeordneter Dienststellen oder sonstiger Stellen aufgrund der Fachkunde des Arbeitnehmers im Regelfall unbedenklich.

4. Darüber hinaus ist die Übertragung von Aufgaben unbedenklich, welche erkennbar auch der Profilierung und Weiterbildung des Beschäftigten dienen. Hierzu gehören bei einem Wissenschaftler z. B. Veröffentlichungen und die Teilnahme an Kongressen, auch wenn sie keinen engen Bezug zu dem Projekt aufweisen, auf dem die Befristung beruht.

5. Die grundsätzliche Unschädlichkeit projektfremder, gleichwohl aber noch projektnaher Aufgaben endet dort, wo sie einzeln oder in ihrer Gesamtheit einen Umfang erreichen, welcher die die Befristung rechtfertigenden Aufgaben in den Hintergrund treten lässt.

6. Die Übertragung gänzlich projektfremder Aufgaben, die keinen erkennbaren Bezug zu dem die Befristung rechtfertigenden Projekt haben, mit der Hauptaufgabe nicht typischerweise verbunden sind und auch nicht im Interesse des Beschäftigten liegen, führt bereits dann zur Unwirksamkeit der Befristung, wenn sie nach Art und Umfang ein nicht ganz unerhebliches Ausmaß übersteigt. Das ist in der Regel der Fall, wenn der Beschäftigte dauerhaft in die Organisation des Beschäftigungsträgers eingebunden und ihm dort nicht nur ausnahmsweise oder in ganz geringem Umfang Daueraufgaben übertragen werden.

7. Ein fester, als Prozentsatz der Gesamtarbeitszeit auszudrückender Grenzwert ist weder für die projektnahen Annextätigkeiten noch für die gänzlich projektfremden Tätigkeiten für sinnvoll. Der Begriff des sachlichen Grundes erfordert eine wertende Betrachtung des Einzelfalles. Dabei sind die Gepflogenheiten im jeweiligen Beschäftigungsbereich, Art und Umfang der übertragenen Aufgaben, die Interessen des Beschäftigten sowie weitere Besonderheiten des Falles (z. B. die zeitlich begrenzte Unterbelastung aus dem Hauptprojekt) einzubeziehen.

 

Normenkette

BGB §§ 134, 620; BeschFG 1985 § 1 Abs. 5 S. 2; HRG § 57b Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 06.09.2001; Aktenzeichen 26 Ca 268/00)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.11.2005; Aktenzeichen 7 AZR 81/05)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 06. September 2001 (26 Ca 268/00) wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Rechtsstreits entsprechend der Vergütungsgruppe 1b der Anlage 1 a zum BAT-West entsprechend seiner Qualifikation weiter zu beschäftigen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Befristung.

Der 1959 geborene Kläger ist promovierter Naturwissenschaftler. Am 1. 4. 1993 wurde er bei der Beklagten als Forstassessor eingestellt. Seither war er ohne Unterbrechung in mehreren Projekten tätig. Bei der von der Beklagten betriebenen Bundesforschungsanstalt … (i. F.: BF.) handelt es sich um eine nachgeordnete Behörde des Bundesministeriums für … Die BF. betreibt 7 Institute mit ca. 200 Planstellen, darunter 53 Stellen für Wissenschaftler. Dem Beschäftigungsverhältnis der Parteien lagen folgende Arbeitsverträge zugrunde:

1. 22.03.1993

01.04.1993 – 31.05.1993

(Bl. 11 d. A.)

2. 12.05.1993

01.06.1993 – 31.12.1993

(Bl. 12 d. A.)

3. 03.01.1994

01.01.1994 – 31.07.1994

(Bl. 14 d. A.)

4. 29.07.1994

01.08.1994 – 30.09.1994

(Bl. 15 d. A.)

5. 04.10.1994

01.10.1994 – 28.02.1995

(Bl. 16 d. A.)

6. 25.01.1995

01.03.1995 – 28.02.1997

(Bl. 17 d. A.)

7. 23.01.1997

01.02.1997 – 28.02.1998

(Bl. 18 d. A.)

8. 05.02.1998

01.03.1998 – 31.12.1998

(Bl. 19 d. A.)

9. 01.12.1998

01.01.1999 – 30.06.2000

(Bl. 20 d. A.)

10. 27.06.2000

01.07.2000 – 30.06.2003

(Bl. 21 d. A.)

In den Verträgen vom 22. 3. 1993 und 3. 1. 1994 wurde die Geltung des BAT (West) vereinbart. Die Verträge 4) bis 9) waren Änderungen des Vertrages vom 3. 1. 1994. In den Verträgen 1) bis 9) heißt es jeweils, der Kläger werde „auf bestimmte Zeit nach SR 2y BAT als Angestellter für folgende Aufgaben von begrenzter Dauer” eingestellt bzw. weiter beschäftigt. Als Verwendungszweck ist in den Verträgen zu 6) und 7) die Mitarbeit im Forschungsvorhaben „EG-Buche”, in den Verträgen 8) und 9) die Mitarbeit im Forschungsauftrag „Waldbaumarten” jeweils im Institut … in G. genannt.

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