Entscheidungsstichwort (Thema)

Rauchverbot. Betriebsvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

Durch Betriebsvereinbarung kann jedenfalls dann rechtswirksam ein Rauchverbot für alle Betriebsgebäude festgelegt werden, wenn den rauchenden Belegschaftsmitgliedern auf dem Betriebsgelände in zumutbarer Entfernung von ihrem Arbeitsplatz ein wind- und regengeschützter Bereich zum Rauchen zur Verfügung gestellt.

Die in einem solchen Rauchverbot liegende Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit ist unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Nichtraucherschutzes und der Einschränkung des Rauchens als Maßnahme des Gesundheitsschutzes auch für die – noch – rauchenden Belegschaftsmitglieder nicht unverhältnismäßig.

Die durch das Rauchen bewirkte Gesundheitsgefährdung berührt auch schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers und der übrigen Arbeitnehmer. Die Betriebsparteien sind unter der Zielsetzung einer Reduzierung des Rauchens legitimiert, durch die Verweisung der Raucher auf eine außerhalb der Betriebsgebäude belegene zumutbare Rauchgelegenheit einen Lästigkeitseffekt herbeizuführen, der dazu beitragen kann, daß im Betrieb weniger geraucht wird. Die Betriebsparteien sind deshalb selbst dann nicht verpflichtet, das Rauchen dadurch zu erleichtern, daß sie hierfür innerhalb des Gebäudes unter Umständen besondere Räume zum Rauchen in den Betriebsgebäuden einzurichten, wenn – uU nach entsprechenden bautechnische Maßnahmen – ein Ausströmen von rauchbelasteter Luft in die das übrige Gebäude und damit eine Belästigung oder Gesundheitsgefährdung der Nichtraucher ausgeschlossen werden kann.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 2 Nr. 1, § 75 Abs. 2; GG Art. 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 06.11.1996; Aktenzeichen 12 Ca 180/96)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.01.1999; Aktenzeichen 1 AZR 499/98)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 6. November 1996–12 Ca 180/96 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage mit den in der Berufungsinstanz gestellten Anträgen abgewiesen wird.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten wegen eines bei der Beklagten durch Betriebsvereinbarung in Kraft gesetzten generellen Rauchverbots.

Der Kläger, der Mitglied des Betriebsrats ist, ist seit dem 29. Mai 1978 bei der Beklagten als Chemielaborant beschäftigt. Er ist Raucher.

Im Arbeitsvertrag der Parteien ist unter anderem geregelt:

„… für den abzuschließenden Anstellungsvertrag gelten im übrigen die Arbeitsordnung der Röhren- und Halbleiterwerke der Philipps GmbH. …”

Die Arbeitsordnung enthielt in der bei Einstellung des Klägers geltenden Fassung (VALVO-Arbeitsordnung vom Juni 1969) unter anderem folgende Regelung:

㤠22 Rauchverbot

Es besteht Rauchverbot:

  1. Für alle feuer- und explosionsgefährdeten Werksabteilungen. Diese Räume sind durch ausgehängte Verbotsschilder besonders gekennzeichnet.
  2. Für alle Fabrikräume, in denen Firmenprodukte oder Teile oder Hilfsmaterial hergestellt, behandelt, geprüft, verpackt oder gelagert werden. Ausnahmen hierzu werden mit dem Betriebsrat vereinbart.
  3. Für Treppenhäuser und Gänge.

Bei Zuwiderhandlungen kann unbeschadet sonstige Rechtsfolgen die fristlose Kündigung ausgesprochen werden.”

Seit 1982 heißt es in der überarbeiteten Arbeitsordnung:

㤠19 Rauchverbot

Es besteht generelles Rauchverbot in allen Räumen des Betriebes. Ausnahmen (z. B. für Pausenräume und dgl.) werden durch Vereinbarung zwischen der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat festgelegt.”

Die entsprechende Vereinbarung zur Ergänzung von § 19 der Arbeitsordnung wurde von den Betriebsparteien am 21. Januar 1982 beschlossen und regelt im einzelnen, daß im bestimmten Bereichen der Kantine, allen Kurzpausenräumen, Büros und Besprechungsräumen, sofern hierdurch nicht andere Betriebsangehörige belästigt werden, besonders kenntlich gemachten Stellen der Werkstätten und der elektrischen Labore und in den Toiletten vom Rauchverbot ausgenommen sind (vgl. Anlage B 2, Bl. 2 der Anlagen zum Schriftsatz der Beklagten vom 05. August 1996). Durch Betriebsvereinbarung vom 04. November 1991 wurde die § 19 der Arbeitsordnung ergänzende Vereinbarung teilweise neu gefaßt und dabei das generelle Rauchverbot auf besonders gekennzeichnete Freiflächen des Betriebes erstreckt (vgl. Anlage B 3).

Am 13. September 1995 beschlossen die Beklagte und der Betriebsrat eine neue Betriebsvereinbarung zum Rauchverbot (Anlage K 1, Bl. 5 d. A.), nach der ab dem 01. September 1996 ein generelles Rauchverbot auf dem gesamten Betriebsgelände und in allen Gebäuden besteht. In einer von der Beklagten und dem Betriebsrat unterzeichneten Notiz vom 22. September 1995 zur Betriebsvereinbarung zum Rauchverbot (Anlage K 2, Bl. 6 d. A.) wurde von den Betriebsparteien geregelt, daß das Rauchverbot für alle Mitarbeiter/innen und Leitenden Angestellten gilt und auch für alle Fremdfirmenmitarbeiter/innen sowie Kunden. Weiter ist in der Notiz festgelegt, daß bis zum Inkrafttreten des generellen Rauchverbots am...

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