Entscheidungsstichwort (Thema)

Beauftragung eines Rechtsanwalts. Unzulässige Berufung. Kostenerstattung für Rechtsanwaltskosten des Berufungsbeklagten

 

Leitsatz (amtlich)

Die Beauftragung eines Rechtsanwalts durch den Rechtsmittelbeklagten nach Zustellung der Berufung kann nicht als für eine zweckentsprechende Rechtsverteidigung notwendig i. S. v. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO angesehen werden, wenn die Berufung nicht von einem Rechtsanwalt, sondern von der Partei selbst eingelegt worden und deshalb unzulässig ist und wenn das Berufungsgericht dem Berufungsbeklagten zusammen mit der Zustellung der Berufung ein an den Berufungskläger gerichtetes Schreiben zur Kenntnisnahme zuleitet, in dem der Berufungskläger auf die Unzulässigkeit seiner Berufung hingewiesen wird, ihm die Gründe hierfür erläutert werden und ihm mitgeteilt wird, dass beabsichtigt ist, die eingelegte Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen. Deshalb kann der Berufungsbeklagte, wenn er trotzdem eine Rechtsanwalt beauftragt und dieser durch Information des Berufungsbeklagten über die Sach- und Rechtslage im Rahmen des Auftrages tätig wird, so dass nach Zurücknahme der Berufung durch den Berufungskläger vor Begründung der Berufung der Berufungsbeklagte seinem Prozessbevollmächtigten einer 1,1 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3001 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG schuldet, diese Kosten nicht gemäß § 516 Abs. 3 ZPO vom Berufungskläger erstattet verlangen.

 

Normenkette

ZPO § 516 Abs. 3, § 91 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Beschluss vom 19.09.2006; Aktenzeichen 3 Sa 37/06)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 14.11.2007; Aktenzeichen 3 AZB 36/07)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. September 2006 – 1 Ca 483/05; 3 Sa 37/06 – abgeändert und der Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Beschwerdewert: EUR 258,70.

Die Rechtsbeschwerde wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

A.

Der Kläger hat gegen das seinem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten am 11. April 2006 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 04. April 2006 – 1 Ca 483/05 – am 11. Mai 2006 persönlich Berufung eingelegt.

Gemäß Verfügung des Vorsitzenden der Berufungskammer vom 17. Mai 2006 erfolgte folgendes Schreiben an den Kläger:

Sie haben mit Schreiben vom 11. Mai 2006 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 04. April 2006 – 1 Ca 483/05 – Berufung eingelegt.

Diese Berufung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen. Wie Sie der Rechtsmittelbelehrung auf Seite 7 des Urteils entnehmen können, muss die Berufungsschrift von einem Rechtsanwalt oder einem Vertreter einer Gewerkschaft unterschrieben sein. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen in der Rechtsmittelbelehrung auf Seite 7 des Urteils verwiesen. Diese Voraussetzung erfüllt die von Ihnen persönlich unterzeichnete Berufung nicht.

Die eingelegte Berufung ist deshalb als unzulässig zu verwerfen. Es ist beabsichtigt, eine entsprechende Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu treffen.

Sie können hierzu binnen einer Woche Stellung nehmen. Zur Vermeidung höherer Kosten wird anheim gestellt, die Berufung zurückzunehmen.

Dieses gerichtliche Schreiben wurde den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten entsprechend der Verfügung des Vorsitzenden der Beklagten zusammen mit der Zustellung der vom Kläger eingelegten Berufung vom 11. Mai 2006 zur Kenntnisnahme zugeleitet.

Am 07. Juni 2006 nahm der Kläger durch Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten die Berufung vom 11. Mai 2006 zurück.

Durch Beschluss des Berufungsgerichts vom 08. Juni 2006 wurde ausgesprochen, dass der Kläger nach der Rücknahme der Berufung die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen hat.

Mit Schriftsatz vom 15. Juni 2006 beantragte die Beklagte für die Berufungsinstanz gemäß § 104 ZPO gegen den Kläger erstattungsfähige Kosten bei einem Gegenstandswert von EUR 3.480,00 in Höhe einer 1,1-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3201 VV RVG in Höhe von EUR 238,70 und einer Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG festzusetzen und auszusprechen, dass der Erstattungsbetrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Antragstellung zu verzinsen ist.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Die geltend gemachten Kosten seien ihr erstattungsfähig entstanden. Für die ermäßigte Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3201 Ziffer 1 VV RVG genüge nach allgemeiner Rechtsprechung die Entgegennahme und Weiterleitung der Information. Für die Erstattbarkeit sei es nicht erforderlich, dass der Anwalt nach außen in Erscheinung tritt.

Ihre Prozessbevollmächtigten seien am 19. Mai 2006 von ihr beauftragt und im Rahmen des Auftrages auch bereits tätig geworden. Tätigkeitsinhalte seien gewesen: Die Vorbereitung des Schriftsatzes zum Antrag auf Zurückweisung der Berufung und des Wiedereinsetzungsantrages, Erörterung mit der Mandantin, den Hinweis an die Mandantin, dass, wenn d...

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