Entscheidungsstichwort (Thema)

Tariffähigkeit einer Koalition nach § 2 TVG im Hinblick auf AnerkennungsTV

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Tariffähigkeit einer Koalition kann, vernünftigerweise nur absolut und nicht relativ im Hinblick auf den einzelnen Haustarifvertrag bzw AnerkennungsTV beurteilt werden.

2. Selbst dann, wenn mangels Mitgliedschaft in betreffenden Unternehmen kein Beschäftigter am Zustandekommen eines solchen TV beteiligt ist, führt das Demokratieerfordernis nicht zu Rechtsunwirksamkeit dieser TVe.

 

Normenkette

GG Art. 9 Abs. 3; TVG § 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Beschluss vom 14.06.1996)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Hamburg vom 14. Juni 1995 – 7 BV 14/94 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Fortbestand der sog. Übernahme-Betriebsvereinbarung von 1993, insbesondere darüber, ob die später abgeschlossenen Haustarifverträge diese Betriebsvereinbarung abgelöst haben und ob speziell dem sog. Anerkennungstarifvertrag von 1994 diese Wirkung zukommt.

I.

Antragsteller ist der im Hamburger Betrieb am 6.4.1993 gewählte Betriebsrat (BR), der aus 5 Mitgliedern besteht. Die Antragsgegnerin, die ihren Sitz in Ehningen bei Stuttgart hat, hat 1700 Beschäftigte in etwa 8 Betrieben. Es existiert ein Gesamtbetriebsrat.

Die bis dahin einheitliche IBM Deutschland GmbH wurde mit Wirkung vom 1.1.1993 in verschiedene Unternehmen aufgespalten, und zwar in die IBM Deutschland Entwicklung GmbH, die IBM Deutschland Produktion GmbH, die IBM Deutschland Informationssysteme GmbH, die IBM Deutschland Systeme und Netze GmbH (d.i. die Antragsgegnerin), die IBM Deutschland Bildungsgesellschaft GmbH und die IBM Deutschland Pensionskasse Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit.

Die IBM Deutschland GmbH beschäftigte Ende 1992 ca. 27.900 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Davon wurden bei der IBM Deutschland Informationssysteme GmbH etwa 15.000 weiterbeschäftigt, deren Arbeitsverhältnisse nach § 613 a BGB übergingen. Dieses Unternehmen schloß am 21.1.1994 mit der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) eine Reihe von Haustarifverträgen ab, u. a. über Arbeitszeit und Mehrarbeit bei ein Wochenarbeitszeit von 38 Stunden und ferner über Sonderzahlungen, durch die bis dahin geltende Regelungen über vermögenswirksame Leistungen abgelöst werden sollten.

Diese Haustarifverträge traten rückwirkend mit dem 1.1.1994 in Kraft. Die Antragsgegnerin schloß mit der DAG am 1.6.1994 einen Anerkennungstarifvertrag ab, in dem es im wesentlichen heißt, daß „das in der Anlage beigefügte Vertragswerk vereinbart (wird)” (Anlage 1/Anlagenband 1).

Vor der Aufspaltung der IBM Deutschland GmbH. In die verschiedenen rechtlich selbständigen Unternehmen stellte sich die tarifliche Situation wie folgt dar: Die IBM Deutschland war tarifgebunden lediglich in den Tarifbezirken der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden, Rheinland-Pfalz und Berlin. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aller anderen Tarifbezirke erhielten u. a. jahrzehntelang eine Vergütung entsprechend den Metalltarifverträgen des Bezirks Nordwürttemberg/Nordbaden. Ob sich hinsichtlich der Beschäftigten in diesen Tarifbezirken, in denen die IBM Deutschland nicht tarifgebunden war, eine betriebliche Übung herausgebildet, hatte oder ob die Einheitlichkeit der Arbeitsbedingungen über Gesamtbetriebsvereinbarungen oder (auch) über Bezugnahmeklauseln in den Einzelarbeitsverträgen sichergestellt war, wird unterschiedlich beurteilt.

Bereits am 25.11.1992 hatte die Rechtsvorgänger in der Antragsgegnerin (die IBM Deutschland GmbH) mit dem damaligen GBR eine sog. Überleitungsvereinbarung getroffen, in der es u. a. heißt:

„II.1 IBM und GBR sind sich darin einig, daß die Betriebsratsgremien in neue Gesellschaften übergehender Betriebe einschließlich der gebildeten Ausschüsse … grundsätzlich bis zum Ablauf der Amtsperiode erhalten bleiben.

4. Beide Seiten gehen davon aus, daß der GBR der IBM Deutschland GmbH und der GBR der IBM Informationssysteme GmbH identisch ist. Der GBR ist Garant für die Weitergeltung der bestehenden Gesamtbetriebsvereinbarungen.

III.1 Bei Weiterbestand eines Betriebes gehen sämtliche mit diesen geschlossenen gültigen Betriebsvereinbarungen und sonstigen Regelungen mit unmittelbarer. Verpflichtung auf das neue Unternehmen über. Soweit infolge Ausgliederung von Betriebsteilen ein neuer Betrieb gegründet wurde, werden die Unternehmensführungen der Tochtergesellschaften den neuen örtlichen Betriebsratsgremien anbieten, beim Übergang bestehende örtliche Betriebsvereinbarungen und Regelungen zu übernehmen …

2. IBM. und GBR vereinbaren, daß den neu zu bildenden Gesamtbetriebsräten die Möglichkeit gegeben wird, die bestehenden Gesamtbetriebsvereinbarungen und sonstigen Regelungen vollinhaltlich zu übernehmen …

7. In allen neuen Tochtergesellschaften kommen im Jahre 1993 die Arbeitszeitregelungen zum 1. April 1993 entsprechend den bisher für IBM einschlägigen Metall-Manteltarifverträgen zur ...

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