Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsrente für Frauen ab Vollendung des 60. Lebensjahres. Betriebliche Altersversorgung. Abschaffung des vorzeitigen Altersrentenbezugs für Frauen in der gesetzlichen Rente. Keine ergänzende Vertragsauslegung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Enthält eine Versorgungsordnung eine aus den 1970er Jahren stammende Regelung, die vorsieht, dass Frauen mit der Vollendung des 60. Lebensjahres Anspruch auf eine Betriebsrente erwerben, so handelt es sich um eine feste Altersgrenze, sofern der Bezug einer anrechenbaren Sozialversicherungsrente zwar der Regelfall, aber nicht Voraussetzung für den Erwerb der Betriebsrente ist. In einem solchen Fall führt die Abschaffung des vorzeitigen Altersrentenbezugs für Frauen in der gesetzlichen Rente nicht zu einer Anpassung der Versorgungsordnung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung, weil es an einer Regelungslücke fehlt.

2. Es bleibt offen, ob bei dieser Ausgangslage eine Anpassung gemäß § 313 Abs.1 BGB wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage erfolgen kann. Eine solche Anpassung ist im Anwendungsbereich des LPVG NW jedenfalls nur unter Beteiligung des Personalrats möglich.

 

Normenkette

BetrAVG § 1; LPVG NW § 72 Abs. 4 S. 1 Nr. 5; BGB § 313 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 21.12.2011; Aktenzeichen 9 Ca 2364/11)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.01.2015; Aktenzeichen 3 AZR 894/12)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 21.12.2011 - Az.: 9 Ca 2364/11 - wird zurückgewiesen.

  • II.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

  • III.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob und in welchem Umfang die Klägerin bereits ab Vollendung ihres 60. Lebensjahres Anspruch auf eine Betriebsrente hat.

Die Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die regional die berufliche Vertretung der Ärztinnen und Ärzte sowie sonstige Aufgaben im Gesundheitswesen wahrnimmt. Es besteht ein nach den Regelungen des LPVG NW gewählter Personalrat.

Die am 04.04.1959 geborene Klägerin ist seit dem 01.01.1991 bei der Beklagten beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Klägerin vom 28.11.1990 enthält die folgende Regelung:

"Im übrigen richten sich die Arbeitsbedingungen, wie Urlaub, Weiterzahlung des Gehaltes im Krankheitsfalle, Kündigung usw. nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT). Frau H. wird Mitglied der bei der Ärztekammer Nordrhein eingerichteten zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung (AHV). Der § 46 des BAT (zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung) findet keine Anwendung."

Seit 1959 gewährte die Beklagte ihren Arbeitnehmern sowie deren Angehörigen eine betriebliche Altersversorgung nach den von ihr erstellten Richtlinien der "Alters- und Hinterbliebenenversorgung für die Angestellten der Ärztekammer Nordrhein" (nachfolgend AHV). In ihrer ursprünglichen Fassung war in § 3 Abs. 1 eine Altersversorgung nach Vollendung des 65. Lebensjahres vorgesehen. Am 06.05.1970 beschloss der Vorstand der Beklagten auf Anregung des bei ihr bestehenden Personalrats, in die AHV eine Formulierung aufzunehmen, mit der die Inanspruchnahme der betrieblichen Altersrente für weibliche Angestellte bereits ab dem 60. Lebensjahr eingeführt wurde (Anlage B 3, Bl. 74 d. A.).

Am 05.12.1973 fasste der Vorstand der Beklagten - wiederum auf Anregung des Personalrats - folgenden Beschluss:

"Analog zum Rentenversicherungsrecht kann die Alters- und Hinterbliebenenversorgung bereits mit Vollendung des 63. Lebensjahres gewährt werden."

Die letzte Änderung der AHV im November 1991 betraf die Berechnung der Versorgungsbezüge. U.a. enthält die aktuelle Fassung der AHV vom 05.11.1991 - wegen deren Einzelheiten auf die Anlage 2, Bl. 6 - 15 d.A. Bezug genommen wird - folgende Regelungen:

"§ 2Festsetzung und Art der Versorgungsbezüge

(1)

Die Versorgungsbezüge setzt der Verwaltungsausschuss fest. ... Die Grundsätze der §§ 2 bis 7 dienen dazu, einen Anhalt über die sinngemäße Erfüllung der Aufgaben dieser Versorgung zu geben. ...

(2)

Versorgungsbezüge werden nur dann gewährt, wenn der/die Angestellte fünf Jahre in den Diensten der Ärztekammer gestanden hat (Wartezeit) und nach Vollendung des 63. Lebensjahres, bei weiblichen Mitarbeitern nach Vollendung des 60. Lebensjahres, aus den Diensten der Ärztekammer ausgeschieden ... ist....

§ 6 Zahlung, Anrechenbarkeit, Zusammentreffen und Ausschluss von Versorgungsbezügen und Kinderzulagen

(3)

Versorgungsbezüge und Kinderzulagen werden gekürzt um die Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, um die Ruhegelder, Witwen- und Witwergelder und Kinderzulagen des Staates, der Gemeinden, der Körperschaften des öffentlichen Rechts, oder um sonstige laufende Versorgungsbezüge aus öffentlicher oder privater Hand. Nicht angerechnet werden Ansprüche aus privaten Versicherungen oder aus freiwilligen Zusatz- oder Weiterversicherungen oder aus sonstigen Einkünften aus Privatvermögen. Falls sich ein(e) Angestellte(r) Beiträge aus den gesetzlichen Rentenversicherunge...

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