Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtscharakter der Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE). Auslegung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE). Mittelbare Verbandsmitgliedschaft. Verständnis zum Begriff "Systemgastronomie"

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) handelt es sich nicht um ein förmliches Gesetz und auch nicht um eine Rechtsverordnung. Sie ist ein Rechtssetzungsakt eigener Art zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtssetzung, der seine eigenständige Rechtsgrundlage in Art. 9 Abs. 3 GG und § 5 TVG findet.

2. Eine AVE ist wie ein Gesetz auszulegen. Maßgebend ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Normgebers. Zu dessen Ermittlung sind der Wortlaut der Norm, die Systematik, Sinn und Zweck sowie die Materialien und die Entstehungsgeschichte heranzuziehen. Unter diesen anerkannten Methoden hat keine den unbedingten Vorrang.

3. Unter einer mittelbaren Verbandsmitgliedschaft versteht man eine Mitgliedschaft, die über einen anderen Verband vermittelt wird. Sie kann entstehen durch Mitgliedschaft des Verbandes in einem Landesverband, der wiederum Mitglied in einem Bundesverband ist.

4. Wird ein von den Tarifvertragsparteien verwendeter Begriff nicht im Tarifvertrag selbst definiert, ist für die Ermittlung des fachlichen Geltungsbereichs davon auszugehen, dass sie diesen in dem Sinn gebraucht haben, wie es dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht. "Systemgastronomie" umfasst somit die in Ketten organisierten Betriebe der Gastronomiebranche, die standardisierte Produkte anbieten.

 

Normenkette

GG Art. 9 Abs. 3; TVG § 5; BGB §§ 295, 615; ArbZG § 6 Abs. 5; MTV Gaststätten- und Hotelgewerbe NRW § 5 Nr. 2.4 Fassung: 2016-05-01, § 12 Fassung: 2016-05-01; ETV Gaststätten- und Hotelgewerbe NRW § 4 TG 2 Fassung: 2016-05-01, § 5 Fassung: 2016-05-01

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 14.07.2017; Aktenzeichen 1 Ca 1750/17)

 

Tenor

  • I.

    Auf die weitere Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 14.07.2017 - Az.: 1 Ca 1750/17 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

    1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 439,15 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2017 zu zahlen.
    2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Be rag in Höhe von 156,37 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2017 zu zahlen.
    3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 493,49 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.05.2017 zu zahlen.
    4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  • II.

    Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz mit Ausnahme der Kosten des Streitverkündeten tragen der Kläger zu 41%, die Beklagte zu 59%. Die Kosten des Streitverkündeten erster und zweiter Instanz trägt der Kläger zu 41%, im Übrigen trägt der Streitverkündete seine Kosten erster und zweiter Instanz selbst.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Streitverkündeten. Diese trägt der Streitverkündete selbst.

  • III.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche sowie in diesem Zusammenhang über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.

Der Kläger wurde zum 07.11.2011 von der Beklagten als Küchenhelfer eingestellt. Dabei wurde u.a. Folgendes vereinbart:

"§ 4

Vergütung

1. Der Arbeitnehmer erhält für seine Tätigkeit ein monatliches Bruttoentgelt

i.H.v. 7,00 Euro pro geleisteter Arbeitsstunde. Der Arbeitgeber legt dem Arbeitnehmer am Ende des Monats auf Wunsch eine genaue Aufschlüsselung der geleisteten Arbeitsstunden vor.

2. Darüber hinaus erhält der Arbeitnehmer prozentuale Zuschläge für Nacht- Sonn- und Feiertagsarbeit, die sich wie folgt gliedern:

Montag bis Samstag ab 20.00 Uhr

25 %

Zuschlag Sonntage und gesetzliche Feiertage

50 % Zuschlag

Die Zuschläge beziehen sich auf den vereinbarten Bruttostundenarbeitslohn und sind steuer- und sozialversicherungsfrei. Hinsichtlich der Sozialversicherungsleistungen gelten die gesetzlichen Bestimmungen.

§ 5

Arbeitszeit/Urlaub

1. Der Arbeitnehmer erklärt sich bereit, im Schichtdienst zu arbeiten, wobei sich die Arbeitstage auch individuell auf Sonn- und Feiertage beziehen können. Die Arbeitszeit beträgt in der Regel 40 Stunden wöchentlich, abhängig von der Verfügbarkeit des Arbeitnehmers und den Geschäftserfordernissen des Arbeitgebers. Dabei wird vereinbart, dass die 5-Tage-Woche nicht überschritten wird."

Eine unter dem 20.03.2013 unterzeichnete Ergänzung zum Arbeitsvertrag enthält auszugsweise folgende Regelungen:

"§1 Führung von Arbeitszeitkonten

(1) Der Arbeitgeber ist berechtigt, Arbeitszeitkonten zu führen. Über die geleisteten Arbeitsstunden des Arbeitnehmers wird daher ein Arbeitszeitkonto geführt, das Minder- oder Mehrarbeitszeiten dokumentiert.

(2) Der individuelle Einsatz des Arbei...

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