Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung. Sozialarbeiter mit staatlicher Anerkennung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Tätigkeit eines Sozialarbeiters mit staatlicher Anerkennung in der Einrichtung „Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung” (INSPE) hebt sich im vorliegenden Fall durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung i. S. der VergGr. IV a Fallgr. 15 aus der VergGr. IV b Fallgr. 16 der Vergütungsgruppen Sozial- und Erziehungsdienst, VKA, heraus (aM: BAG-Urteil vom 01.03.1995 – 4 AZR 985/93 –).

 

Normenkette

BAT

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Urteil vom 13.10.1994; Aktenzeichen 3 Ca 2963/94)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.03.1997; Aktenzeichen 4 AZR 622/95)

 

Tenor

Die Berufung der beklagten Stadt gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Essen vom 13.10.1994 – 3 Ca 2963/94 – wird auf Kosten der beklagten Stadt zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Streitwert: 10.800,– DM.

 

Tatbestand

Der am 19.01.1954 geborene Kläger ist seit dem 09.10.1985 bei der beklagten Stadt als Diplom-Sozialarbeiter in der Abteilung „Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung” (INSPE) tätig.

Laut Arbeitsvertrag vom 09.10.1985 (Bl. 14 d. A.) bzw. 05.03.1986 (Bl. 15 d. A.) richtet sich das Angestelltenverhältnis nach den Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages, der zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge sowie der an ihrer Stelle tretenden Tarifverträge.

Der Kläger ist seit dem 01.01.1991 in Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 16 (Sozial- und Erziehungsdienst, VKA) eingruppiert.

Mit Schreiben vom 20.12.1993 (Bl. 27 d. A.) hat der Kläger die Eingruppierung nach Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 15 bzw. (kraft Bewährungsaufstiegs) nach Vergütungsgruppe III Fallgruppe 7 BAT beantragt. Dies hat die beklagte Stadt mit Schreiben vom 13.06.1994 (Bl. 28 d. A.) abgelehnt.

Die Aufgaben der INSPE sind in § 35 SGB VIII 8 (Kinder- und Jugendhilfe) geregelt. Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung soll hiernach Jugendlichen gewährt werden, die einer intensiven Unterstützung zur sozialen Integration und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung bedürfen (§ 35 Satz 1). Die Hilfe ist nach § 35 Satz 2 in der Regel auf längere Zeit angelegt und soll den individuellen Bedürfnissen der Jugendlichen Rechnung tragen. Träger der INSPE ist das Landesjugendamt (Landschaftsverband). Dienstrechtlich angebunden ist sie an das Jugendamt der beklagten Stadt.

Mit der am 04.08.1994 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger Vergütung nach Vergütungsgruppe III BAT, und zwar – nach einem später geänderten Antrag – rückwirkend ab 01.07.1993.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten:

Bei der INSPE, die er – unstreitig – zu 90 % seiner Arbeitszeit ausführe, während er zu 10 % in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt bzw. Landesjugendamt mit der Gestaltung, Fortschreibung und Konzeptionsentwicklung beschäftigt sei, handele es sich um einen Arbeitsvorgang. Die Tätigkeit sei überwiegend von besonderer Schwierigkeit und Bedeutung geprägt. Hierbei handele es sich um eine ambulante Intensivbetreuung von Jugendlichen und jungen Volljährigen beiderlei Geschlechts im Alter von 14 bis 21 Jahren, die sich allen anderen Hilfsangeboten entzogen hätten, z.B. langjährige, häufig gescheiterte Heim- und Gefängniskarrieren hinter sich hätten, sich in einer aktuellen Notsituation (Mißhandlungen, Mißbrauch, Drogensucht, verfrühte Schwangerschaft) befänden, sozial absolut desorientiert seien (z.B. Punker, Prostituierte, Neonazis, vielfach Vorbestrafte, Nichtseßhafte) und aufgrund ihres hohen Aggressionspotentials nur schwer beeinflußbar und lenkbar seien. Sowohl er wie seine drei Kollegen betreuten jeweils ca. acht Jugendliche pro Jahr, für die sie nicht nur in den schwierigsten Lebenssituation eine Art Elternersatz darstellten, sondern gemäß § 38 SGB VIII 8 auch berechtigt seien, die Personensorgeberechtigten in der Ausübung der elterlichen Sorge zu vertreten bzw. gemäß § 42 Abs. 1 SGB VIII 8 das Recht auf Beaufsichtigung, Erziehung und Aufenthaltsbestimmung ausübten. Diese Pflichten bedeuteten eine sehr hohe unmittelbare Verantwortung für die Lebenssituationen der Betreuten, die nicht nur ein besonders pflichtbewußtes Handeln und ständige Einsatzbereitschaft rund um die Uhr, selbst an den Wochenenden und in Nachtstunden, sondern vor allem besonders gesteigerte fachliche Kenntnisse im Bereich der Sozialpädagogik, Psychologie, Medizin und im juristischen sowie im verwaltungsorganisatorischen Bereich erforderten. Die betreuten Personen seien nicht etwa solche, die einen Heim- oder Gefängnisaufenthalt erfolgreich beendet hätten, sozial stabilisiert und denen dann betreutes Wohnen und andere Nachsorge angeboten werden müsse, sondern es handele sich um Personengruppen, die aus den Heimen rausgeworfen worden seien oder gar flüchtig bzw. untergetaucht seien, sozial und psychisch völlig desorientiert und mittellos seien. Sie müßten erst einmal aus dem Prostitutions-, Betäubungsmittel-, Stricher- und Neonazimilieu herausgeholt werden. Er berate seine Klienten nicht lediglich, sondern betreue ...

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