Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsabgeltung. Ruhen des Arbeitsverhältnisses. Erwerbsunfähigkeitsrente. Verjährung. Ausschlussfrist. Auslegung von Tarifnormen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Bewilligung und der Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrente führt nicht ohne Weiteres zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses.

2. Ziel der Auslegung von Tarifnormen ist der erkennbare Wille der Tarifvertragsparteien. Der Meinungsstreit zwischen „objektiver” und „subjektiver” Methode hat aber nahezu keine praktischen Auswirkungen.

3. Urlaubsansprüche sind nicht gemäß Art. 9 IAO Nr. 132 auf 18 Monate begrenzt.

4. Urlaubs- und darauf beruhende Urlaubsabgeltungsansprüche verjähren 3 Jahre nach Ablauf des Urlaubsjahres. Eine Erkrankung stellt nicht ohne Weiteres höhere Gewalt i. S. d. § 206 BGB dar.

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 4; MTV Einzelhandel NRW § 24; IAO Art. 9 Nr. 132; BGB § § 199 ff., § 206

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 11.12.2009; Aktenzeichen 1 Ca 6424/09)

 

Tenor

B. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des ArbG Düsseldorf vom 11.12.2009, Az.: 1 Ca 6424/09, teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu tenoriert:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.402,03 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.08.2009 zu zahlen.
  2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 72,5 % und die Beklagte zu 27,5 %.

B. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

D. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

D. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht die Zahlung von Urlaubsabgeltung geltend.

Die Klägerin war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 01.03.1996 (Bl. 17 d.B.) bis zum 30.06.2009 angestellt. In dem Vertrag heißt es auszugsweise:

„Der Vertrag endet mit dem Monat der Vollendung des 65. Lebensjahres oder bereits früher zu dem Monat, in welchem von Ihnen das Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente bezogen wird.”

Das Gehalt der Klägerin betrug zuletzt 5.020 DM (2.566,69 EUR) brutto. Im Betrieb der Beklagten galt eine Urlaubsregelung, wonach die Urlaubsdauer ab dem 26. Lebensjahr 33 Werktage beträgt (Bl. 23 d.B.).

Die Klägerin war seit 1998 arbeitsunfähig erkrankt. Ihre Arbeitsunfähigkeit wies die Klägerin der Beklagten durch Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen jedenfalls bis einschließlich 08.06.1999 nach. Anschließend informierte sie die Beklagte noch über einen stationären Aufenthalt. In den Jahren 2000, 2002, 2004 und 2006 reichte die Klägerin Rentenbescheide ein, aufgrund derer der Klägerin jeweils eine befristete Erwerbsunfähigkeitsrente gewährt worden war. Mit Bescheid vom 26.02.2009 (Bl. 18 d.B.) wurde der Klägerin dann eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf unbestimmte Dauer mit Wirkung ab dem 01.07.2009 bewilligt. Mit Schreiben vom 24.03.2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der befristeten Erwerbsunfähigkeitsrente am 30.06.2009 enden werde.

Mit Schreiben vom 28.07.2009 (Bl. 25 d.B.) hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte zur Zahlung von Urlaubsabgeltung für die Jahre 1999 bis 2009 aufgefordert.

Die Klägerin hat mit der Klage zunächst 42.350,37 EUR brutto als Urlaubsabgeltung für den Zeitraum 1999 bis 2009 geltend gemacht.

Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe den Urlaub krankheitsbedingt nicht nehmen können. Das Arbeitsverhältnis habe nicht wegen der Erwerbsminderungsrente geruht. Vertrauensschutz sei nicht zu gewähren. Die tarifliche Verfallfrist beginne erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu laufen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 42.315,37 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.08.2009 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, sie habe gegenüber der Klägerin auf ihr Direktionsrecht verzichtet, deswegen habe sie auch von der Klägerin keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verlangt. Das Arbeitsverhältnis habe geruht. Deswegen seien keine Urlaubsansprüche entstanden. Sie hat des Weiteren Vertrauensschutz geltend gemacht. Vorsorglich hat sie die Einrede der Verjährung erhoben. Urlaubsansprüche seien bis einschließlich 2005 verjährt. Dies gelte auch für einen Urlaubsabgeltungsanspruch. Schließlich seien Ansprüche aufgrund der tarifvertraglichen Ausschlussfrist (§§ 15, 24 MTV Einzelhandel NRW) verfallen. Ansprüche könnten allenfalls in Höhe des gesetzlichen Urlaubsanspruchs bestehen.

Mit Urteil vom 11.12.2009 (Bl. 63 ff. d.B.) hat das ArbG Düsseldorf der Klage in Höhe von 4.975,32 EUR stattgegeben und im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Arbeitsverhältnis habe nicht geruht. Die bloße Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente führe nicht zu einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses. Der Urlaubsanspruch sei nicht mit Ablauf des 31.03. des jewe...

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