Entscheidungsstichwort (Thema)

Wet-Lease-Vereinbarung als zulässige Arbeitnehmerüberlassung. Kein Betriebsteilübergang aufgrund Vorliegen einer Wet-Lease-Vereinbarung. Begriff des Betriebs als Kriterium für örtliche Zuständigkeit der Arbeitsagentur bei Massenentlassungsanzeige. Unbeachtlichkeit des Fehlens von Soll-Angaben in Massenentlassungsanzeige. Betriebsbedingte Kündigung durch eine insolvente Fluggesellschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die betriebsbedingte Kündigung durch eine insolvente Fluggesellschaft ist rechtmäßig. Denn die Vereinbarung von Wet-Lease stellt keinen Betriebsteilübergang unter Einbeziehung von Dritten dar.

2. Das Fehlen der Soll-Angaben nach § 17 Abs. 3 S. 5 KSchG führt nicht zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige.

3. Der Sinn und Zweck einer Massenentlassungsanzeige ist als Kriterium zur Feststellung der örtlichen Zuständigkeit der Agentur für Arbeit bei Massenentlassungsanzeigen anzusehen.

 

Normenkette

AÜG § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 1; BGB § 613a Abs. 1; InsO § 113; KSchG § 1 Abs. 2-3, §§ 4, 7 Abs. 1, § 17 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 16.03.2021; Aktenzeichen 4 Ca 5317/20)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 16.03.2021 - 4 Ca 5317/20 - wird zurückgewiesen.

  • I|.

    Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

  • III.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die betriebsbedingte Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.

Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Air M. PLC & Co. Luftverkehrs KG (j..: Schuldnerin). Die am 18.03.1979 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete klagende Partei ist seit dem 28.04.2008 bei der Schuldnerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin beschäftigt. Sie war tätig als Flugbegleiterin und verdiente zuletzt monatlich durchschnittlich EUR 3.758,23 brutto. Sie war auf dem dienstlichen Einsatzort B. stationiert.

Bei der Schuldnerin handelte es sich um eine Fluggesellschaft mit Sitz in M. und Stationen an verschiedenen Flughäfen. Die Schuldnerin beschäftigte mit Stand August 2017 mehr als 6.000 Arbeitnehmer im Cockpit, in der Kabine und am Boden.

Für das Cockpitpersonal der Schuldnerin war gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG durch Abschluss des "Tarifvertrags Personalvertretung (TV PV) für das Cockpitpersonal der Air M. PLC & Co. Luftverkehrs KG" (j...: TV PV Cockpit) eine Personalvertretung (j..: PV Cockpit) gebildet. Für das Kabinenpersonal wurde durch den "Tarifvertrag Personalvertretung (j..: TV PV Kabine) für das Kabinenpersonal der Air M. PLC & Co. Luftverkehrs KG" die Personalvertretung Kabine (j..: PV Kabine) errichtet. Beide Gremien hatten ihren Sitz in M.. Das Bodenpersonal vertraten die regional zuständigen Betriebsräte (Boden Nord, West und Süd) und der Gesamtbetriebsrat. § 74 TV PV Kabine und TV PV Cockpit sehen die Anhörung der PV Kabine bzw. der PV Cockpit vor Ausspruch einer beabsichtigten Kündigung vor.

Die Schuldnerin bediente im Linienflugverkehr Ziele in Europa, Nordafrika, Israel sowie in Nord- und Mittelamerika und unterhielt Stationen an den Flughäfen M.-U., B., N., G., T., I., L., Q., O. und M.. Die Langstreckenflüge wurden in erster Linie von den Drehkreuzen in M.-U. und B. aus durchgeführt.

Das fliegende Personal trat am sog. Stationierungsort (home base bzw. Heimatbasis) seinen Dienst an und beendete ihn dort. Soweit Personal auf Flügen von anderen Flughäfen als dem vereinbarten Dienstort eingesetzt wurde, erfolgte dies in Form des sog. proceeding. Das Personal fand sich dabei zunächst am Dienstort ein und wurde

von dort zum Einsatzflughafen gebracht.

In M. war der Leiter des Flugbetriebs ("Head of Flight Operations") ansässig. Diesem oblag die gesamte Leitung des Flugbetriebs im operativen Geschäft. Ihm unterstellt waren ua. die Abteilungen Cabin Crew sowie Crew Operations. Die Einsatzplanung für das Kabinenpersonal wurde seit Mitte 2017 in M. für den gesamten Flugbetrieb erstellt (Crew Planning). Dies umfasste die Urlaubsplanung und die Planung der Kabinencrew-Verkehre zwischen den einzelnen Stationen.

Der Leitung der Abteilung Cabin Crew oblag die Durchsetzung, Kontrolle und Einhaltung aller Betriebsregeln im Bereich Kabine sowie die Personalplanung des gesamten Kabinenpersonals einschließlich der Begründung, Beendigung oder Änderung von Arbeitsverhältnissen. Ausweislich des sog. "Operations Manual Part A" (j..: OM/A, Stand 20.07.2017), welches die Organisationsstruktur des Flugbetriebs abbildete, waren der Leitung des Kabinenpersonals ("PX-OK Cabin Crew") ua. zwei Regional Manager unterstellt.

Die Regionalmanager waren als Flugbegleiter angestellt und in der Regel auch im operativen Flugbetrieb eingesetzt. Das OM/A beschreibt die Aufgaben des ua. für die Station B. zuständigen Regional Manager West wie folgt:

"Der Regional Manager West ist für die Stationen E. und Q. verantwortlich in disziplinarischen Fragen und Personalangelegenheit, einschließlich persönlicher Angelegenheiten.

Er/sie nimmt an den ...

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