Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfall von Differenzlohnansprüchen eines Leiharbeitnehmers bei einzelvertraglicher Bezugnahme auf unwirksamen Tarifvertrag der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und Personalserviceagenturen. Differenzlohnansprüche eines Leiharbeitnehmers bei unwirksamer Bezugnahme auf mehrgliedrigen Tarifvertrag der Tarifgemeinschaft CGZP. Auskunftsanspruch des Verleihers gegen Entleiher zu wesentlichen Arbeitsbedingungen bei Unwirksamerklärung eines Tarifvertrags

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nur ein wirksamer Tarifvertrag hemmt die Rechtsfolge des § 10 Abs. 4 AÜG.

2. Die einzelvertragliche Bezugnahme auf einen unwirksamen Tarifvertrag ist jedenfalls möglich, soweit nicht die Bezugnahme gegen höherrangiges Recht verstößt und wenn nicht deutliche Anhaltspunkte dafür fehlen, die Parteien hätten die Unwirksamkeit bedacht und gleichwohl eine Bezugnahme vereinbart. Wurde ein Arbeitsvertrag zwei Wochen vor der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 über die Tariffähigkeit der CGZP geschlossen, kann dies deutlicher Anhaltspunkt sein, dass die Parteien die Bezugnahme auf deren Tarifverträge auch im Falle ihrer Unwirksamkeit wollten.

3. Wird ein vom Leiharbeitsvertrag in Bezug genommener Tarifvertrag für unwirksam erklärt, hat der Verleiher Anspruch gegen den Entleiher auf Auskunft über die wesentlichen Arbeitsbedingungen iSd. § 12 Abs. 1 S. 3 AÜG.

 

Normenkette

AG § 10 Abs. 4; AÜG § 9 Nr. 2, §§ 13, 12 Abs. 1 S. 3; BGB § 305 c Abs. 1, § 308 Abs. 1 S. 2, § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 1 2, §§ 133, 157, 306 Abs. 1, § 611 Abs. 1, § 614 S. 2; MTV § 19.2; MTV § 19.3; MTV § 19.4

 

Verfahrensgang

ArbG Wesel (Entscheidung vom 02.02.2012; Aktenzeichen 5 Ca 2684/11)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung des Beklagten wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 02.02.2012 - 5 Ca 2684/11 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

    • 1.

      Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.666,94 € brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.08.2011 zu zahlen.

    • 2.

      Im Übrigen (in Höhe eines Betrages von 2.618,87 €) wird die Klage abgewiesen, soweit das Verfahren nicht ausgesetzt ist.

  • II.

    Der Kläger trägt 42 % der Kosten des Berufungsverfahrens, der Beklagte 58 %.

  • III.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche infolge Überlassung des Klägers als Arbeitnehmer nach dem sog. Equal-Pay Grundsatz (§ 10 Abs. 4 AÜG).

Der Beklagte betreibt gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung und beschäftigte den Kläger vom 01.12.2010 bis 30.09.2011 als Kraftfahrer und Beifahrer sowie Be- und Entladehelfer zu einem Stundenlohn von 10,30 €. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der Arbeitsvertrag vom 01.12.2010, in dem es auszugsweise wie folgt lautet und für dessen weiteren Inhalt auf Blatt 9 ff. der Gerichtsakte verwiesen wird:

"§ 2 Anwendung eines Tarifvertrages

1.Die Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien bestimmen sich nach den zwischen dem

Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP)

und der

Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP)

abgeschlossenen Mantel-, Entgeltrahmen-, Entgelt- und Beschäftigungssicherungstarifverträgen sowie etwaigen ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung. Dies gilt auch, wenn der Mitarbeiter nicht Mitglied einer der vorgenannten Gewerkschaften ist.

Sollten die unter Ziffer 1 bezeichneten Tarifverträge gekündigt werden oder auf andere Weise ihre Gültigkeit verlieren, ohne dass neue, zwischen den genannten Tarifvertragsparteien abgeschlossene Tarifverträge an ihre Stelle treten, bestimmen sich Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien nach den in Ziffer 1 bezeichneten Tarifverträgen in der zuletzt zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarten Fassung.

...

§ 6 Vergütung/Zahlungsweise

...

Die Fälligkeit der monatlich zustehenden Gesamtvergütung richtet sich nach dem Tarifvertrag gemäß § 2 und wird jeweils zum 30. des Folgemonats auf das vom Mitarbeiter angegebene Girokonto überwiesen.

...

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb der tariflichen Fristen des in § 2 genannten Tarifvertrages geltend zu machen, da sie sonst verfallen - § 19 Ziffer 19.2. MTV."

Der Manteltarifvertrag zwischen dem AMP und diversen Einzelgewerkschaften (im Folgenden: "MTV"), darunter der CGZP vom 15.03.2010, in Kraft getreten zum 01.01.2010 lautet auszugsweise wie folgt, wobei für seinen Inhalt auf Blatt 105 ff. der Gerichtsakte verwiesen wird:

"19.Geltendmachung und Ausschluss von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis

19.1...

19.2 Beide Arbeitsvertragsparteien können sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nur schriftlich innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten ab Fälligkeit geltend machen.

19.3 Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen, es sei denn, dass der Anspruchsberechtigte trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, diese Frist ei...

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