Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe der Betriebsrente bei einem Betriebsübergang in der Insolvenz. Haftung des Erwerbers für die zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits erdiente endgehaltsbezogene Dynamik

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem Betriebsübergang in der Insolvenz haftet der Erwerber nicht für die zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits erdiente endgehaltsbezogene Dynamik. Der Arbeitnehmer hat die Gegenleistung für die dienstzeitabhängigen Steigerungsraten der Betriebsrente bis zur Insolvenzeröffnung bereits erbracht.

2. Die Differenz, die sich daraus ergibt, dass der Pensionssicherungsverein aufgrund der Veränderungssperre in § 7 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG i.V.m. § 2 Abs. 5 BetrAVG den von ihm zu tragenden Teil der Betriebsrente nicht dynamisch auf der Grundlage des nach Insolvenzeröffnung sich entwickelnden Gehalts, sondern auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bezogenen Entgelts berechnet, kann der Arbeitnehmer nach den Verteilungsgrundsätzen der Insolvenz im Insolvenzverfahren geltend machen. Für die Berechnung der Anspruchshöhe ist die künftige Gehaltsentwicklung zu schätzen.

3. Stellt eine vor dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz entstandene Versorgungsordnung für den Eintritt des Versorgungsfalles auf die Vollendung des 65. Lebensjahres ab, so ist diese Versorgungsordnung auch dann regelmäßig dahingehend auszulegen, dass damit auf die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nach §§ 35, 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Bezug genommen wird, wenn es sich nicht um eine Gesamtversorgung handelt.

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 1; BetrAVG § 2 Abs. 5, § 7 Abs. 2; InsO §§ 45, 191 Abs. 1, § 198; RL 2001/23/EG Art. 5; RL 2008/94/EG Art. 8

 

Verfahrensgang

ArbG Solingen (Entscheidung vom 24.05.2016; Aktenzeichen 2 Ca 1812/15 lev)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.01.2021; Aktenzeichen 3 AZR 139/17)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 24.05.2016 - AZ. 2 Ca 1812/15 lev - teilweise abgeändert.

    1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 58,08 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.08.2016 zu zahlen.
    2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger monatlich ab dem 01.04.2016 neben den mit Schreiben vom 30.07.2015 zugesagten 145,03 EUR weitere 7,26 EUR Altersrente zu zahlen.
  • II.

    Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

  • III.

    Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten zu 7% und dem Kläger zu 93% auferlegt.

  • IV.

    Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der vom Arbeitgeber zu tragenden Betriebsrente des Klägers.

Der am 25.03.1950 geborene Kläger war seit dem 01.10.1968 bei der U. GmbH (im Folgenden T-GmbH) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war die Gesamtbetriebsvereinbarung "Pensionsordnung für Betriebsangehörige der Firma U. GmbH, M." vom 28.09.1979 (im Folgenden PO 1979) anwendbar.

In der PO 1979 ist geregelt:

"§ 1

Kreis der Pensionsberechtigten

1.Die Firma gewährt ihren Betriebsangehörigen, sofern die nachstehenden Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind, bei Eintritt des Versorgungsfalles Pensionsleistungen. ...

§ 2

Arten der Pensionsleistungen

1.Die Leistungen nach dieser Pensionsordnung bestehen in der Zahlung von laufenden Pensionen. Sie werden gewährt als Altersrente, als Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeitsrenten, als Witwen- und Waisenrenten.

...

§ 3

Voraussetzungen für die Pensionsleistungen

1.Der Anspruch auf Pensionsleistungen entsteht nach Eintritt des Versorgungsfalles, wenn bis zu diesem Zeitpunkt von dem Betriebsangehörigen das 30. Lebensjahr vollendet und eine Wartezeit von 5 (fünf) anrechenbaren Dienstjahren erfüllt ist.

...

§ 4

Höhe der Pensionsleistungen

1.Die Pension an die Betriebsangehörigen (Altersrenten, Invalidenrenten) ergeben sich aus den Steigerungsbeträgen nach Dienstjahren und bei vorzeitigen Versorgungsfällen evtl. aus Zurechnungszeiten. Für jedes anrechnungsfähige Dienstjahr beträgt der Steigerungssatz 0,5% der ruhegeldfähigen Bezüge. Der Höchstsatz der Rente wird auf 22,5 % festgelegt; dieser wird nach 45 Dienstjahren erreicht. Bei Invalidität oder bei Ableben des Betriebsangehörigen vor Vollendung des 55. Lebensjahres wird bei der Ermittlung der anrechnungsfähigen Zeiten die Zeit zwischen dem Eintritt des Versorgungsfalles und der Vollendung des 55. Lebensjahres als Dienstjahre hinzugerechnet.

...

§ 5

Anrechnungsfähige Dienstjahre

1.Als anrechnungsfähige Dienstjahre gelten alle von dem Betriebsangehörigen nach Vollendung des 20. Lebensjahres ohne Unterbrechung in den Diensten der Firma verbrachten vollen Jahre. Angefangene Dienstjahre von mehr als 6 Monaten gelten als volles anrechnungsfähiges Dienstjahr.

...

§ 6

Berechnungsgrundlage der betrieblichen Altersversorgung

1.Für die Errechnung der Pensionsleistungen wegen Erreichen der Altersgrenze ist der ein Jahr vor dem Ausscheiden zum nächstmöglichen Stichtag - 1. Januar / 1. Juli - gültige Bruttomonatsbetrag maßgebend; für die ...

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