Entscheidungsstichwort (Thema)

Kürzung der Versorgungsbezüge um Anwartschaften bei Versorgungsausgleich. Bindungswirkung familiengerichtlicher Beschlüsse zum Versorgungsausgleich gegenüber Versorgungsträgern. Urteilsformel und Parteiwillen als Auslegungskriterien von Urteilen und Beschlüssen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Grenzen der Rechtskraft eines Beschlusses des Amtsgerichts über den Versorgungsausgleich. Hier: Kürzung der beamtenähnlichen Versorgung gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 LBeamtVG aufgrund des Versorgungsausgleichs trotz Nennung eines anderen Versorgungsschuldners im Beschluss des Amtsgericht, weil der am Versorgungsausgleich beteiligte Ruhegeldempfänger andernfalls entgegen § 242 BGB eine formale Rechtsposition unzulässig ausnützen würde.

2. Kommt die Kürzungsvorschrift des § 72 LBeamtVG/NW kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung zur Anwendung, erhöht oder vermindert sich der im Versorgungsausgleich festgelegte Kürzungsbetrag bis zum Eintritt in den Ruhestand gemäß der arbeitsvertraglichen Regelung zur Anpassung der Bezüge, wenn diese von derjenigen der Anpassung der Beamtenbezüge abweicht.

3. Zur Einordnung einer Erklärung per E-Mail als deklaratorisches Schuldanerkenntnis, das im konkreten Fall ohne Vertretungsmacht abgegeben wurde.

 

Normenkette

BeamtVG § 57; BGB §§ 133, 157, 242, 286, 288, 780-781; BGB a.F. §§ 1587a, 1587b; GmbHG § 35 Abs. 2; LBeamtVG § 5 Abs. 1, § 72 Abs. 1, §§ 84, 105; SGB VI § 225 Abs. 1; VAHRG § 3b Abs. 1; ZPO § 286; VAErstV § 1; LBeamtVG § 72 Abs. 2; BGB § 286 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 04.10.2018; Aktenzeichen 7 Ca 2844/18)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.10.2020; Aktenzeichen 3 AZR 130/20)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 04.10.2018 - 7 Ca 2844/18 teilweise und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgeändert und die Beklagte verurteilt,

    1. an den Kläger 2.251,47 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.328,49 Euro seit dem 22.06.2017 und aus weiteren jeweils 153,83 Euro seit dem 04.07.2017, 02.08.2017, 04.09.2017, 04.10.2017, 03.11.2017 und 04.12.2017 zu zahlen und
    2. an den Kläger 1.671,36 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.01.2019 zu zahlen.
  • II.

    Die gerichtlichen Kosten erster Instanz werden dem Kläger zu 80 % und der Beklagten zu 20% auferlegt. Die Kosten des Berufungsverfahrens - ausgenommen die Kosten der Nebenintervention - werden dem Kläger zu 81 % und der Beklagten zu 19 % auferlegt. Die Kosten der Nebenintervention werden dem Kläger zu 81% und der Nebenintervenientin zu 19 % auferlegt.

  • III.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte aufgrund eines zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau durchgeführten Versorgungsausgleichs berechtigt ist, dessen betriebliche Altersversorgung nur in gekürztem Umfang zu zahlen.

Die Beklagte war Rechtsnachfolgerin der X. Immobilien GmbH. Sie war auf das Halten und Verwalten von Beteiligungen im Immobiliengeschäft ausgerichtet und hatte selber keine Arbeitnehmer. Sie war zuletzt eine 100%ige Tochtergesellschaft der Ersten Abwicklungsanstalt des öffentlichen Rechts (im Folgenden F.). Am 09.01.2004 war die Beklagte eine 100%ige Tochtergesellschaft der Westdeutschen Immobilienbank, die damals eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in N. war, die ihrerseits zum damaligen Zeitpunkt eine 100%ige Tochtergesellschaft der früheren Westdeutschen Landesbank war. Die Westdeutsche Immobilienbank wurde später mit Wirkung zum 01.01.2007 unter Beibehaltung ihres Sitzes in N. in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Im Zuge der Abwicklung der Westdeutschen Landesbank wurde diese, ebenso wie die Beklagte, eine 100%ige Tochtergesellschaft der F. und schließlich von der F. an die B.-Bank-Gruppe verkauft.

Der am 27.09.1951 geborene Kläger trat zum 01.09.1979 in die Dienste der Westdeutschen Landesbank Girozentrale (später X. Landesbank) ein. Zum 01.01.1986 wechselte er zur S. GmbH (einer 100%igen Tochtergesellschaft), mit dem Ziel der Gründung der X. Immobilien GmbH. Zum 01.09.1986 trat der Kläger dann in die X. Immobilien GmbH ein, die im Jahr 1996 in X. Immobilien Holding GmbH, die Beklagte, umfirmierte.

Im Arbeitsvertrag der Parteien (die Beklagte damals noch firmierend unter "X. Immobilien GmbH") vom 30.11.1989/06.12.1989 hieß es u.a.:

"1. Sie werden als außertariflicher Vertragsangestellter angestellt.

...

4. Ihr Brutto-Jahresgehalt setzt sich wie folgt zusammen:

Grundgehalt ...

Funktionszulage...

Zulage...

...

Die Geschäftsführung wird die Angemessenheit des Grundgehaltes in angemessenen Zeitabständen von längstens drei Jahren zum Zwecke des Ausgleichs evtl. eingetretener Inflationsverluste (Kaufkraftverluste) überprüfen.

...

7. Die Gesellschaft gewährt Ihnen Ruhegehalt und Unfallfürsorge unter entsprechender Anwendung des jeweils gültigen Gesetzes über die Versorgung der Beamten und Richter in Bund und Ländern (Beamtenversorgungsgesetz ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge