Entscheidungsstichwort (Thema)

Warnstreik, Beschäftigung nach Streikende, Annahmeverzug

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein Arbeitgeber punktuell und unvorhersehbar in verschiedenen Produktionsbereichen und/oder Schichten zu unterschiedlichen Zeiten mit Streiks überzogen, ist er berechtigt, den Betriebsablauf durch Einsatz einer Ersatzmannschaft aufrechtzuerhalten.

2. Er gerät nicht in Annahmeverzug, wenn die streikenden Arbeitnehmer nach Beendigung ihrer Kurzstreiks ihre Arbeitsleistung anbieten, die ihnen obliegenden Tätigkeiten inzwischen aber von der Ersatzmannschaft erledigt werden oder bereits erledigt worden sind.

 

Normenkette

BGB § 293 ff., § 615; GG Art. 9

 

Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Urteil vom 26.09.1995; Aktenzeichen 8 Ca 2976/95)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.11.1996; Aktenzeichen 1 AZR 364/96)

 

Tenor

1) Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 26.09.1995 – 8 Ca 2975/95 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers aus Annahmeverzug der Beklagten anläßlich von Streikmaßnahmen, an denen der Kläger teilgenommen hat.

Der Kläger ist seit mehr als einem Jahr bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte betreibt einen Druckbetrieb, der sich vornehmlich mit dem Druck von Tageszeitungen und zusätzlich von Anzeigenblättern befaßt.

Am 03.09.1994 rief die Gewerkschaft I., der auch der Kläger angehört, anläßlich eines zu erwartenden Tarifkonflikts zu einem befristeten Streik unter anderem im Betrieb der Beklagten auf. Der Kläger, wie auch einige andere Arbeitnehmer, die mit ihm in derselben Schicht im Rotationsdruck eingesetzt waren, beteiligte sich am Streik wie folgt:

  • 03.05.1994 von 21.30 Uhr bis 22.30 Uhr
  • 30.05.1994 von 01.00 Uhr bis 02.30 Uhr
  • 31.05.1994 von 22.30 Uhr bis 23.00 Uhr
  • 01.06.1994 von 22.00 Uhr bis 23.45 Uhr
  • 15.06.1994 von 23.00 Uhr bis 24.00 Uhr

An den genannten Tagen wurde der Betrieb der Beklagten im übrigen jeweils mehrfach, teilweise über den ganzen Tag hinweg und immer in jeweils unterschiedlichen Abteilungen und Schichten zu verschiedenen Zeiten mit unterschiedlicher Dauer bestreikt.

Die Beklagte weigerte sich, den Kläger im Anschluß an seine Arbeitsniederlegung an den jeweiligen Tagen seine Arbeit wieder aufnehmen zu lassen. Vom Kläger schriftlich geltend gemachte Lohnansprüche lehnte sie mit Schreiben vom 05.05.1995 endgültig ab.

Mit seiner am 11.07.1995 beim Arbeitsgericht Wuppertal anhängig gemachten Klage hat der Kläger für insgesamt 26,25 Stunden einen Vergütungsanspruch in Höhe von DM 868,54 brutto geltend gemacht. Zur zwischen den Parteien unstreitigen Berechnung wird auf Blatt 4 der Akten verwiesen.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe nach Beendigung der jeweiligen Streikmaßnahmen seine Arbeitsleistung gegenüber der Beklagten erfolglos angeboten; folglich sei sie aus Annahmeverzug zur Vergütung der entsprechenden Arbeitszeit verpflichtet.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 868,54 brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 18.07.1995 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat ihre Zahlungsverweigerung im wesentlichen wie folgt begründet:

Sie sei, wie im übrigen bevorzugt schon in den Vorjahren, von einer Art Wellenstreik der IG Medien überzogen worden. Streiktaktik sei es dabei gewesen, punktuell, plötzlich und möglichst unvorhersehbar in verschiedenen Produktionsbereichen oder Abteilungen und/oder in verschiedenen Schichten sowie zu unterschiedlichen Zeiten zu streiken, um dadurch den Produktionsablauf erheblich zu stören.

In Ansehung dieser zu erwartenden Arbeitskampfmethode habe sie, die Beklagte, ein Streikgegenprogramm entwickelt, das im wesentlichen vorgesehen habe, bei Reduzierung des Zeitungsinhalts und Einschränkung der Aktualität gleichwohl ein fertiges Zeitungsprodukt herzustellen und auf den Markt zu bringen. Um dies zu erreichen, habe man an den hier streitigen Streiktagen den Zeitpunkt des Andrucks vorverlegt, eine für den Fall des Arbeitskampfes bereitstehende Ersatzmannschaft aus betriebsinternen und -externen Mitarbeitern herangezogen und auf diese Weise die Fertigstellung der Zeitung ermöglicht. Konsequenz hieraus sei gewesen, daß die vom Kläger und seinen Kollegen zu verrichtenden Tätigkeiten entweder vollständig entfallen oder aber bei Streikende anderweitig vergeben bzw. bereits ausgeführt gewesen wären. Jedenfalls sei es ihr, der Beklagten, nicht mehr möglich gewesen, das einmal in Gang gesetzte Notprogramm später wieder zu ändern oder rückgängig zu machen, als der Kläger seine Arbeitskraft erneut angeboten hätte.

Der Kläger hat bestritten, daß die Beklagte nur zur Herstellung einer Notzeitung in der Lage gewesen wäre. Es sei zwar richtig, daß die Beklagte auf betriebsinterne und -externe Aushilfen zurückgegriffen hätte; diese wären indessen nicht in der Lage gewesen, das Herstellungsprogramm schneller zu fahren als der Kläger und seine Kollegen. Folglich wäre es durchaus sinnvoll und möglich gewesen, d...

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