Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Gewährung von Freizeit in Vorgriff auf eine Betriebsratstätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Betriebsratstätigkeit liegt nur insoweit außerhalb der Arbeitszeit im Sinne des § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG, als sie zusätzlich zu der (durch Arbeitsleistung oder erforderliche Betriebsratstätigkeit ausgefüllten) Arbeitszeit des Betriebsratsmitgliedes geleistet wird. Dem Arbeitgeber steht für die zu gewährende Arbeitsbefreiung ein Bestimmungsrecht nach billigem Ermessen zu. Eine Gewährung von Freizeit im Vorgriff steht jedenfalls dann der Ausübung billigen Ermessens nicht entgegen, wenn die Freizeit in Ansehung bevorstehender Betriebsratstätigkeit gewährt wird und vom Betriebsratsmitglied planbar als Freizeit genutzt werden kann.

 

Normenkette

BetrVG § 37 Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 30.03.2016; Aktenzeichen 3 Ca 6849/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.05.2019; Aktenzeichen 7 AZR 396/17)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 30.03.2016, 3 Ca 6849/15, und die Anschlussberufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

  • II.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

  • III.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Gewährung von Freizeitausgleich nach § 37 Abs. 3 BetrVG.

Der Kläger ist bei der Beklagten in vollkontinuierlicher Wechselschicht beschäftigt, das heißt auf eine Woche Frühschicht folgt eine Woche Arbeit in der Spätschicht, darauf eine Woche Nachtschicht und sodann eine Freiwoche. Der Kläger ist Mitglied des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrates.

Findet am ersten Tag der Freiwoche des Klägers eine Betriebsratssitzung statt, stellt die Beklagte den Kläger für die vorhergehende Nachtschicht von der Arbeitsleistung frei und vergütet diese mit acht Stunden.

Der Kläger hat am 11.06.2015 4 Stunden und 20 Minuten, am 20.08.2015 9 Stunden und 36 Minuten und am 24.09.2015 3 Stunden und 9 Minuten, insgesamt 17 Stunden und 5 Minuten Betriebsratsarbeit geleistet. Die Beklagte stellte den Kläger für die jeweils vorhergehende Nachtschicht, die er nach dem Schichtplan hätte leisten müssen, frei und vergütete die jeweilige Schicht mit acht Stunden. Sie lehnte es allerdings ab, auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers zusätzlich eine Gutschrift für die Dauer der Teilnahme an den Betriebsratssitzungen vorzunehmen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei nach § 37 Abs. 3 BetrVG verpflichtet, ihm für die Betriebsratstätigkeit am 11.6., 20.08. und 24.09.2015 insgesamt 17 Stunden und 5 Minuten auf seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. Die Freistellung in den jeweils vorhergehenden Nachtschichten sei auf diesen Anspruch nicht anzurechnen. Die Beklagte sei nach § 37 Abs. 2 BetrVG verpflichtet gewesen, ihn für die vorhergehenden Nachtschichten freizustellen, weil ihm die Teilnahme an den Nachtschichten vor den anstehenden Betriebsrassitzungen unzumutbar gewesen sei, und zwar unabhängig davon, ob man Betriebsratstätigkeit als Arbeitszeit qualifiziere oder nicht. Die beiden Vorschriften regelten unterschiedliche Bereiche und stünden nebeneinander. Er, der Kläger, könne daher gemäß § 37 Abs. 3 BetrVG für die Betriebsratstätigkeit am 11.06., 20.08. und 24.09.2015 einen Freizeitausgleich neben dem gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG in den vorhergehenden Nachtschichten gewährten Zeitausgleich verlangen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, seinem Arbeitszeitkonto weitere 17 Stunden und 53 Minuten gutzuschreiben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass sie den Anspruch des Klägers durch die Freistellung in den vorhergehenden Nachtschichten erfüllt habe. Ein weiterer Anspruch auf Freizeitausgleich würde zu einer unzulässigen Begünstigung des Klägers führen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 1 Stunde und 36 Minuten stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht unter Berücksichtigung eines dem Kläger unterlaufenen Rechenfehlers bei der Antragstellung im Wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch des Klägers auf Freizeitgewährung für geleistete Betriebsratsarbeit im Umfang von 17 Stunden und 5 Minuten (nicht wie beantragt 17 Stunden und 53 Minuten) bestehe lediglich im Umfang von 1 Stunde und 36 Minuten. Soweit der Kläger eine weitere Gutschrift auf seinem Arbeitszeitkonto in Höhe von 15 Stunden und 29 Minuten verlange, bestehe ein Anspruch des Klägers auf Freizeitausgleich nicht, weil insoweit kein Einsatz des Klägers zusätzlich zur vertraglich geschuldeten Arbeitszeit erfolgt sei. Betriebsratstätigkeit liege nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur insoweit außerhalb der Arbeitszeit im Sinne des § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG, als sie zusätzlich zu der durch Arbeitsleistung oder durch erforderliche Betriebsratstätigkeit ausgefüllten vertraglichen Arbeitszeit des Betriebsratsmitgliedes geleistet werde. Die Ausübung der Betriebsratstätigkeit im Umfang von 15 Stunden und 29 Minute...

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