Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterschlagung. Tat- und Verdachtskündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Verdachtskündigung setzt einen dringenden Tatverdacht voraus. Die Umstände müssen so beschaffen sein, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft (BAG, Urteil v. 25.11.2010 – 2 AZR 801/09, Urteil v. 12.05.2010 – 2 AZR 587/08; KSchG § 15 Nr. 67).

Daran fehlt es, selbst wenn man davon ausgeht, dass kein Kassiervorgang erfolgte und dem Kunden keine Quittung ausgehändigt wurde. Das muss im Einzelfall nicht unmittelbar für eine Unterschlagung sprechen. Der fehlende Kassiervorgang und das Unterlassen der Aushändigung einer Quittung können auf Nachlässigkeit beruhen.

 

Normenkette

BGB § 626; KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Solingen (Urteil vom 11.01.2011; Aktenzeichen 2 Ca 916/10 lev)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 11.01.2011 – 2 Ca 916/10 lev – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung, hilfsweise fristgerechten Kündigung mit einer Auslauffrist zum 31.12.2010 wegen Unterschlagung bzw. des dringenden Verdachts einer Unterschlagung.

Der am 19.05.1972 geborene verheiratete und einem Kind unterhaltspflichtige Kläger ist seit dem 01.09.1997 bei der Beklagten zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 3.239,70 EUR beschäftigt. Er war Wahlbewerber bei der im Mai 2010 durchgeführten Betriebsratswahl.

Der Kläger wurde am 02.03.1998 zum Kassenführer ernannt. Er wurde als Annahmekontolleur/Springer sowohl im Wertstoffzentrum als auch in der stationären mobilen Schadstoffsammlung eingesetzt.

Bei der Beklagten besteht seit dem 01.02.1998 eine Geschäftsanweisung über den Verfahrensablauf und die Zuständigkeit bei der Kassenführung.

In der Anweisung heißt es u.a.:

Ziffer 4. „Vorgehensweise bei Handkassen und Zahlstellen”

1. Das Kassenbuch muss täglich geführt werden. Bei jedem Zu- oder Abgang innerhalb der Kasse muss eine Eintragung ins Kassenbuch erfolgen. …

Ziffer 4.1 „Kassenbelege”

Für jeden Geldein- und ausgang der Kasse ist durch den Kassenführer eine Quittung auszustellen…”

Bei einem Kassenvorgang werden Daten in den PC eingegeben und der Vordruck „Wiegebeleg”, der aus mehreren Seiten besteht, in den Drucker gelegt. Das oberste Blatt des Ausdrucks wird abgerissen, dem Kunden ausgehändigt und der Rest in einem Ablagefach gesammelt. Der Wiegebeleg enthält u.a. eine fortlaufende Belegnummer, das Datum, den Namen des eingeloggten Verwiegers und den Betrag. Der Verwieger hat die Anweisung, das Kfz-Zeichen des Fahrzeuges, mit dem Abfall angeliefert wird, handschriftlich einzutragen. Alle Zahlungsvorgänge, die in die Kasse eingegeben werden, werden archiviert und bei einem Ausdruck im Kassenjournal chronologisch aufgeführt.

Am Ende des Tages wird im Kassenbuch ein rechnerischer Bestand durch Ausdruck der Zahlungsvorgänge ermittelt, der mit der Menge des innerhalb der Kasse befindlichen Barbestandes verglichen wird. Verwiegungen, die nicht zu einer Bareinnahme führen, werden im Kassenabschluss nicht ausgedruckt.

Bei der Beklagten sind zwei Schichten (Früh- und Spätschicht) eingerichtet. Bei dem Schichtwechsel erfolgt kein Kassenabschlag.

Am 01.06.2010 war der Kläger mit den Mitarbeitern C. und L. nach dem Betriebstagebuch im Wertstoffzentrum an der Kasse für die Frühschicht von 8:00 Uhr bis 15:45 Uhr eingeteilt. Der Mitarbeiter H. hatte als Kassenführer mit den Mitarbeitern T. und Q. von 12:30 Uhr bis 20:00 Uhr die Spätschicht.

Da der Kläger am 01.06.2010 erst verspätet um 8:07 Uhr einstempelte, loggte sich der Mitarbeiter L. bei seinem Dienstbeginn in das System ein. Bei Übernahme der Kasse durch den Kläger loggte sich der Mitarbeiter L. nicht aus und der Kläger stellte das System auch nicht auf seinen Namen um. Auf den von der Beklagten eingereichten Belegen (Lieferscheinen/Wiegebelegen) des Wertstoffzentrums (WZ) vom 01.06.2010 ist als Verwieger von 7:32 Uhr an Herr L. aufgeführt. Die Belege ab 11:46 Uhr bis 14:49 Uhr weisen Herrn M. T. als Verwieger aus. In den Belegen ab 14:53 Uhr wird Herr H. aufgeführt (Anlage B 17 Bl. 197 – 276 d. A.).

Das eingereichte schriftliche Kassenjournal vom 01.06.2010 von 19:57 Uhr enthält den Namen des Mitarbeiters L. und einen Kassenbestand von 952,67 EUR mit einem vorhandenen Grundbetrag von 500,00 EUR und einer Bareinnahme von 452,67 EUR, sowie 57 Kassiervorgänge des Privat-WZ. Darunter sind auf den Tag verteilt 16 Vorgänge mit einem Betrag von 14,99 EUR, davon drei die um 8:16 Uhr, 8:29 Uhr und 8:55 Uhr ausgedruckt wurden.

Die Beklagte wirft dem Kläger vor, zwischen 8:45 Uhr und 9:00 Uhr von dem Zeugen C., der Holzvertäfelungsabfall geladen hatte, 14,99 EUR entgegengenommen, ihm darüber keine Quittung erteilt und sich den Betrag ohne ordnungsgemäße Verbuchung zugeeignet zu haben.

Mit Schreiben vom 09.06.2010 lud die Bekla...

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