Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsstrafe. AGB-Kontrolle

 

Leitsatz (amtlich)

Wirksamkeit einer Vertragsstrafenklausel

Eine Vertragsstrafe kann unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls auch dann verwirkt sein, wenn der Arbeitsnehmer zwar zum vereinbarten Termin am Arbeitsort erscheint, allerdings ohne ernstgemeinten Leistungswillen hinsichtlich der Realisierung des Dienstverhältnisses.

Ohne den ernstlichen Willen, die Leistung im geschuldeten Umfang zu erbringen, tritt der Arbeitnehmer das „Dienstverhältnis” nicht an und kann dadurch die vereinbarte Vertragsstrafe verwirken.

 

Normenkette

BGB § 307 Abs. 1, §§ 339, 133, 157

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 10.03.2009; Aktenzeichen 7 Ca 7618/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.08.2010; Aktenzeichen 8 AZR 645/09)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.03.2009 – 7 Ca 7618/08 – abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.700,00 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2008 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte eine mit der Klägerin vertraglich vereinbarte Vertragsstrafe verwirkt hat.

Die Beklagte hatte sich bei der Klägerin als Diplom-Finanzwirtin für den Bereich Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung beworben. Am 20.10.2008 fand ein Bewerbungsgespräch zwischen der Beklagten und dem Geschäftsführer der Klägerin statt.

Mit Schreiben vom 21.10.2008 übersandte die Klägerin der Beklagten neben weiteren Vertragsunterlagen einen auf den 21.10.2008 datierten und von ihr – der Klägerin – bereits unterzeichneten, auf sechs Monate zur Probe befristeten Arbeitsvertrag, verbunden mit der Bitte um Unterzeichnung und Rücksendung. Das Arbeitsverhältnis sollte am 01.01.2009 beginnen. Für die Zeit der Probefrist war eine Kündigungsfrist von einem Monat vereinbart.

Nach § 1 des Arbeitsvertrages war die ordentliche Kündigung vor Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen.

§ 1 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages lautet wie folgt:

„Tritt der Arbeitnehmer das Dienstverhältnis nicht an, so verspricht er hiermit ungeachtet eines Schadensnachweises im Einzelfall der Gesellschaft eine Vertragsstrafe in Höhe von einem Monats-Bruttolohn. Umgekehrt verpflichtet sich die Gesellschaft, sollte sie gleicherweise vertragsbrüchig werden, zu einer Vertragsstrafe in gleicher Höhe. Das Recht zur Geltendmachung eines höheren Schadens bleibt unberührt.”

Für die Dauer der Probezeit war ein Monatsbruttolohn in Höhe von 2.700,00 EUR vereinbart.

In dem Begleitschreiben wies die Klägerin die Beklagte darauf hin, dass die Vertragsunterlagen unterschrieben bis spätestens zum 31.10.2008 zurück zu senden seien. Bis zu diesem Zeitpunkt halte sie, die Klägerin – sich an ihre Unterschrift unter dem Arbeitsvertragsangebot gebunden.

Am 27.10.2008 telefonierte die Beklagte mit dem Geschäftsführer der Beklagten, weil das Arbeitsvertragsangebot im Hinblick auf Vergütung und Überstundenregelung von dem Inhalt des Vorgesprächs abwich.

Mit Email vom 31.10.2008 wies die Klägerin die Beklagte darauf hin, dass die Vertragsunterlagen noch nicht bei ihr eingegangen seien und bat um eine kurze Stellungnahme oder einen Rückruf.

Die Beklagte warf den auch von ihr unterschriebenen Arbeitsvertrag sowie die weiteren Vertragsunterlagen sodann am 31.10.2008 in den Briefkasten der Beklagten. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Geschäftsführer der Beklagten telefonisch eine Abgabefrist bis um 16.30 Uhr gesetzt hat und um welche Uhrzeit der Einwurf in den Briefkasten erfolgt ist.

Am 03.11.2008 erhielt die Beklagte ein Arbeitsvertragsangebot eines anderen Arbeitgebers, welches ihren Vorstellungen mehr entsprach.

Mit Schreiben vom 09.11.2008 teilte sie der Klägerin sodann folgendes mit:

„Vertragsaufhebung

Sehr geehrter Herr T.,

hiermit muss ich Ihnen leider mitteilen, dass ich aus persönlichen Gründen nicht am 02.01.2009 und zu keinem anderen Zeitpunkt bei Ihnen als Mitarbeiterin anfangen kann. Der zwischen uns geschlossene Vertrag ist damit hinfällig.

Ich danke für das entgegengebrachte Vertrauen und wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute.”

Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.11.2008 ließ die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 30.11.2008 zur Zahlung der Vertragsstrafe in Höhe von 2.700,00 EUR auffordern.

Die Beklagte hat dieses per Einschreiben versandte Schreiben bei der Post nicht abgeholt.

Die Klageschrift des vorliegenden Verfahrens wurde der Klägerin am 19.12.2008 zugestellt.

Nach anwaltlicher Beratung erschien die Beklagte am 02.01.2009 um 8.30 Uhr im Büro der Klägerin. Sie überreichte dem Geschäftsführer der Beklagten ein auf den 02.01.2009 datiertes Schreiben mit folgendem Inhalt:

„Sehr geehrter Herr T.,

ich kann rechtlich nicht beurteilen, ob zwischen uns ein Arbeitsvertrag zustande gekommen ist. Höchst vorsorglich biete ich meine Arbeitskraft hiermit an.

Gleichzeitig erkläre ich die außerordentliche Künd...

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