Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung nach abgelaufener Berufungsbegründungsfrist. Zurechnung von Anwaltsverschulden

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird dem Rechtsanwalt die Handakte zur Anfertigung der Berufungsbegründung vorgelegt, muss er den Ablauf der hierfür maßgeblichen Frist selbst überprüfen. Die zu notierende Vorfrist hat grundsätzlich eine Woche zu betragen. Bei einer solchen Dauer der Vorfrist ist gewährleistet, dass ausreichend Zeit zur Prüfung der Berufungsbegründungsfrist verbleibt.

 

Normenkette

ZPO §§ 233, 85 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Oberhausen (Urteil vom 26.08.2009; Aktenzeichen 4 Ca 1580/08)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers wird gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 26.08.2009 – 4 Ca 1580/08 – auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.

Die Revisionsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Mit Schriftsatz vom 22.10.2009, der bei dem Landesarbeitsgericht am 22.10.2009 eingegangen ist, hat der Kläger gegen das ihm am 25.09.2009 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 26.11.2009, der bei dem Landesarbeitsgericht am 26.11.2009 eingegangen ist, hat der Kläger die Berufung begründet. Mit einem weiteren Schriftsatz vom 14.12.2009, der bei dem Landesarbeitsgericht am 16.12.2009 eingegangen ist, hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Frist zur Berufungsbegründung beantragt.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags führt er aus, die Sekretärin seines Prozessbevollmächtigten habe am 28.09.2009 die Berufungsfrist in den Fristenkalender eingetragen. Einige Tage später habe sie die Berufungsbegründungsfrist in den Fristenkalender eingetragen und versehentlich den 26.11.2009 notiert. Eine Vorfrist habe sie entgegen der bestehenden Anweisung nicht notiert. Tatsächlich sei seinem Prozessbevollmächtigten die Handakte aber einige Tage vor Ablauf der notierten Berufungsbegründungsfrist vorgelegt worden. Dieser habe sich auf die Richtigkeit der Eintragung verlassen und andere eilige Sachen vorgezogen.

Wegen des weiteren beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Berufung ist unzulässig.

Gemäß § 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG beträgt die Frist zur Begründung der Berufung zwei Monate, beginnend mit dem Tag der Zustellung des Urteils. Da dem Kläger das erstinstanzliche Urteil am 25. 9.2009 zugestellt wurde, ist die Berufungsbegründungsfrist am 25.11.2009 abgelaufen, die am 26.11.2009 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangene Berufungsbegründung also nicht fristgerecht.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 233 ZPO kann dem Kläger nicht gewährt werden. Das Versäumnis beruht auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers, das dieser sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.

Zum einen liegt ein Verschulden an der Fristversäumung darin, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei der Vorlage der Handakte einige Tage vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nicht geprüft hat, ob diese zutreffend notiert war. Wird dem Rechtsanwalt die Handakte zur Anfertigung der Berufungsbegründung vorgelegt, muss er den Ablauf der hierfür maßgeblichen Frist selbst überprüfen (BGH vom 11.12.1991, NJW 1992, S. 841). Zum anderen hat der Kläger auch nicht vorgetragen, welche Anweisung sein Prozessbevollmächtigter hinsichtlich der Dauer der Vorfrist erteilt hat. Diese hat grundsätzlich eine Woche zu betragen (BGH vom 17. 2.2009 – VI ZB 33/07 –) Bei einer solchen Dauer der Vorfrist ist gewährleistet, dass ausreichend Zeit zur Prüfung der Berufungsbegründungsfrist verbleibt.

III.

Damit ist die Berufung nach § 66 Abs.1 ArbGG in Verbindung mit § 522 Abs.1 S. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Nach § 522 Abs.1 S. 3 ZPO kann die Entscheidung durch Beschluss ergehen. Nach § 66 Abs. 2 S. 2 ArbGG ergeht die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss des Vorsitzenden.

Auch über den Wiedereinsetzungsantrag ist durch Beschluss des/der Vorsitzenden zu entscheiden, wenn die Berufung ohne mündliche Verhandlung verworfen wird. Nach § 238 Abs.1 S.1 ZPO ist das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Nach § 238 Abs. 2 S.1 ZPO sind auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. In den Fällen des § 522 ZPO ist daher eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich. Wird, wie im vorliegenden Streitfall, von der Möglichkeit der Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung durch Beschluss Gebrauch gemacht, ist somit auch über den Wiedereinsetzungsantrag durch Beschluss zu entscheiden. Da nach § 66 Abs. 2 S. 2 ArbGG der Beschluss über die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden ergeht, gilt dies auch für den Wiedereinsetzungsantrag (a. A. Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-...

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