Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit eines Interessenausgleichs mit Namensliste. Anforderungen an eine Betriebsratsanhörung. Auslegung einer Betriebsvereinbarung zur Sozialplanabfindung nach Widerspruch gegen Betriebsübergang

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Verbindung von Interessenausgleich und Betriebsratsanhörung ist jedenfalls dann wirksam, wenn dem Betriebsrat zum Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs sämtliche Sozialdaten sowie die Kündigungsgründe bekannt waren und zwischen der Unterzeichnung des Interessenausgleichs und dem Ausspruch der Kündigung mehr als eine Woche liegt.

2. Den Betriebsparteien bleibt es unbenommen, in einer Betriebsvereinbarung zu definieren, unter welchen Voraussetzungen im Falle des Widerspruchs gegen einen Betriebsübergang ein Sozialplananspruch in Betracht kommt. Definieren die Betriebsparteien im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf dem – unverändert bestehenden – Arbeitsplatz beim Betriebserwerber als zumutbar, so schließt ein späterer Widerspruch gegen den Betriebsübergang einen Sozialplananspruch des Arbeitnehmers aus.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2-3, 5; BetrVG § 102

 

Verfahrensgang

ArbG Solingen (Urteil vom 24.02.2010; Aktenzeichen 3 Ca 1672/09 lev)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.04.2012; Aktenzeichen 1 AZR 119/11)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 24.02.2010 (Az.: 3 Ca 1672/09 lev) wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung sowie – hilfsweise – um einen Abfindungsanspruch.

Der am 02.12.1948 geborene Kläger war seit dem 01.01.1975 bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. Er war zuletzt im Bereich Consumer Imaging (CI) als Service Manager eingesetzt und verdiente monatlich durchschnittlich 6.318,00 EUR brutto. Einzelvertraglich vereinbarten die Parteien eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende.

Als sich die Muttergesellschaft der Beklagten dazu entschloss, die Aktivitäten des Bereichs CI auf eine neue Gesellschaft zu übertragen, fasste die Beklagte, die zum damaligen Zeitpunkt noch als B. Deutschland Vertriebsgesellschaft mbH & Cie KG firmierte, einen entsprechenden Beschluss für ihre Vertriebsaktivitäten im Bereich CI. Der Vertriebsbereich wurde sodann zum 01.11.2004 auf die B. Photo Germany GmbH übertragen, worüber die Beklagte den Kläger mit einem Schreiben vom 22.10.2004 unterrichtet hatte.

Bereits unter dem 04.09.1997 schloss die Beklagte mit dem Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung, die für alle Mitarbeiter gelten sollte, die von betriebsbedingten personellen Maßnahmen betroffen sind. Nach dieser Gesamtbetriebsvereinbarung, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 64 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen wird, erhalten Beschäftigte unter bestimmten Voraussetzungen eine Abfindung, die sich bei Mitarbeitern ab dem 60. Lebensjahr – ausgehend vom Datum der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – wie folgt ermittelt: 52% eines Bruttomonatsgehalts × Jahr der Betriebszugehörigkeit. Die Abfindungshöhe wurde bei 120.000,00 DM gedeckelt.

Anlässlich des bevorstehenden Betriebsübergangs auf die B. Photo Germany GmbH schlossen die Beklagte, der bei ihr bestehende Betriebsrat sowie die B. Photo Germany GmbH unter dem 28.09.2004 eine Überleitungsvereinbarung, in der es unter Punkt 6 heißt:

„6. Übergang der Arbeitsverhältnisse und Zuordnung

6.1

Der Übergang der Arbeitsverhältnisse aller von den Betriebsübergängen betroffenen Arbeitnehmer erfolgt unter Anwendung von § 613 a BGB. Danach tritt B. Photo Germany GmbH als Arbeitgeber in alle am 01.11.2004 bestehenden Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen ein.

6.2.

6.3

Der Sozialplan (Gesamtbetriebsvereinbarung zwischen der B. Deutschland Vertriebsgesellschaft mbH & Cie KG und dem Gesamtbetriebsrat vom 04.09.1997 nebst sie ändernden und ergänzenden Vereinbarungen) gilt mit der Maßgabe, dass der bisherige Arbeitsplatz am selben Ort bei B. Photo Germany GmbH oder einer Schwester- oder Tochter-Gesellschaft als in den wesentlichen Arbeitsbedingungen gleichwertig und zumutbar gemäß I Ziffer 5 des Sozialplans gilt und ein Widerspruch gegen den Übergang den Abfindungsanspruch bei anschließender Kündigung ausschließt.”

Der Kläger war seit dem 01.11.2004 für die B. Photo Germany GmbH tätig. Für die Gesellschaft, auf die der Bereich CI seitens der Muttergesellschaft übertragen worden war, wurde am 25.05.2005 Insolvenzantrag gestellt. Das Insolvenzverfahren wurde am 01.08.2005 eröffnet. Im Oktober 2005 wurde auch für die B. Photo Germany GmbH Insolvenz beantragt. Mit Schreiben vom 14.11.2005, der Beklagten am selben Tag zugegangen, widersprach der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses. Auch weitere Arbeitnehmer der Beklagten, deren Arbeitsverhältnisse ebenfalls auf die B. Photo Germany GmbH übergegangen waren, widersprachen dem Betriebsübergang rückwirkend.

In der Folgezeit führt...

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