Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehinderter Arbeitnehmer. Anhörung des Personalrats. Unverzüglicher Ausspruch der Kündigung. Zeitpunkt der Einleitung des Anhörungsverfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Arbeitgeber muss die außerordentliche Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers nach § 91 Abs. 5 SGB IX unverzüglich erklären, sobald das Integrationsamt seine zustimmende Entscheidung getroffen hat oder diese als erteilt gilt. Eine förmliche Zustellung der Entscheidung des Integrationsamts ist nicht erforderlich.

2. Beteiligt der Arbeitgeber den Personalrat erst nach Erteilung der Zustimmung durch das Integrationsamt, muss er das Anhörungsverfahren in der kürzestmöglichen Zeit einleiten und nach dessen Beendigung die Kündigung ebenfalls in kürzestmöglicher Zeit erklären. Der Arbeitgeber muss deshalb grundsätzlich am ersten Arbeitstag nach der Beendigung des Zustimmungsverfahrens beim Integrationsamt das Anhörungsverfahren beim Personalrat einleiten und am ersten Arbeitstag nach Beendigung des Anhörungsverfahrens die Kündigung erklären.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 2; SGB IX § 91 Abs. 5

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.05.2004; Aktenzeichen 2 AZR 36/04)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts E. vom 01.04.2003 – 6 Ca 8086/02 – abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der beklagten Bundesrepublik vom 17.09.2002 nicht beendet worden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der beklagten Bundesrepublik auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung.

Die 48 Jahre alte geschiedene Klägerin ist seit dem 01.11.1972 bei der Beklagten als Angestellte im Bereich des Bundesministeriums für Verteidigung beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft vertraglicher Abrede die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) und der diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge Anwendung. Die Klägerin war zunächst als Büro- und Schreibkraft beim Kreiswehrersatzamt in I. eingesetzt. Sie erhielt dort eine Vergütung nach VII BAT. Im Wege des Bewährungsaufstieges wurde sie dann zum 01.10.1980 in die Vergütungsgruppe VI b BAT eingruppiert. Mit Wirkung zum 01.07.1996 versetzte die Beklagte die Klägerin wegen der Auflösung des Kreiswehrersatzamtes I. zum Kreiswehrersatzamt E.. Dort wurden ihr die Tätigkeiten einer Bürokraft in der Musterungsvorbereitung übertragen. Ihr monatliches Bruttodurchschnittsgehalt belief sich zuletzt auf 2.200,– EUR.

Nachdem die Klägerin in dem Zeitraum vom 10.03. bis 16.04.1997 arbeitsunfähig erkrankt war, stellte sie unter dem 21.04.1997 bei der personalbearbeitenden Dienststelle den Antrag, sie aus gesundheitlichen Gründen sofort aus dem Rheinland nach Westfalen zurückzuversetzen. Die Klägerin leidet an einer Allergie, vor allem gegen Schimmelpilzsporen und Pollen frühblühender Bäume und Sträucher. Ihrem Versetzungsantrag war ein ärztliches Attest beigefügt, in dem unter Hinweis auf die tägliche Zugfahrt in staubhaltigen Eisenbahnen und die stärkere Belastung der Luft im Rheintal während der Blütezeit zu einem Arbeitplatzwechsel geraten wurde. Nach einer Untersuchung empfahl unter dem 20.06.1997 auch der Vertrauens- und Personalärztliche Dienst der Beklagten, die Klägerin wegen der langen Fahrten zum Arbeitsort und der für sie ungünstigen klimatischen Bedingungen in E. an einen anderen Standort zu versetzen. Gleich lautende Empfehlungen gaben in der Folgezeit auch andere Ärzte, wobei wiederholt das von der Klägerin gewünschte Kreiswehrersatzamt E. wegen seiner Innenstadtlage als allergenarmer bzw. allergenfreier Arbeitsort genannt wurde. Mit Schreiben vom 24.11.1997 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Prüfung einer Einsatzmöglichkeit durch die Standortverwaltungen im Bereich Westfalen negativ verlaufen sei. Die Klägerin ist seit dem 31.03.1998 hauptsächlich wegen eines Asthma bronchiale bis heute arbeitsunfähig krankgeschrieben. Eine Wiedereingliederungsmaßnahme bei der Standortverwaltung X. im Sommer 1998 blieb erfolglos, weil bei der Klägerin infolge des Mähens einer Rasenfläche in der Umgebung der Dienststelle erneut Beschwerden auftraten. Der medizinische Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe stellte in einem Gutachten vom 01.02.1999 fest, für die Standorte X. und E. sei eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin auf Dauer anzunehmen. Eine von der Beklagten mit Schreiben vom 18.02.1999 angebotene befristete Wiedereingliederungsbeschäftigung beim Kreiswehrersatzamt E. außerhalb eines Dienstpostens wurde von der Krankenkasse der Klägerin abgelehnt. Verschiedene Versetzungsangebote der Beklagten lehnte die Klägerin im weiteren Verlauf aus unterschiedlichen Gründen ab.

Die Klägerin ist schwerbehindert mit einem Behinderungsgrad von 60 %. Wegen ihrer langen Beschäftigungszeit ist die Klägerin ordentlich unkündbar nach § 53 Abs. 3 BAT.

In einem vorausgegangenen Rechtsstreit beantragte die...

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