Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Übung. Bestätigungsvorbehalt Zusatzabreden. Doppelte Schriftformklausel

 

Leitsatz (amtlich)

1. Schriftformklauseln benachteiligen den Vertragspartner des Verwenders von AGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen, wenn nach ihnen auch nach dem Vertragsschluss getroffene mündliche Abmachungen mit umfassend zur Vertretung des Verwenders der AGB berechtigten Personen ohne schriftliche Bestätigung keine Gültigkeit haben (im Anschluss an BGH NJW 1986, S. 1809 und BGH NJW 1983, S. 1853 zu § 9 AGBG).

2. Ist eine Schriftformklausel nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, kann sie wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion (§ 306 Abs. 2 BGB) nicht mit dem Inhalt aufrechterhalten werden, dass sie Ansprüche, die aufgrund einer betrieblichen Übung entstanden sind, ausschließt, sofern die betriebliche Übung nicht schriftlich festgelegt wurde (im Anschluss an BAG AP Nr. 3 zu § 309 BGB).

 

Normenkette

BGB § 307 Abs. 1 S. 1, § 306 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Mönchengladbach (Urteil vom 24.11.2006; Aktenzeichen 7 Ca 3670/05)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.05.2008; Aktenzeichen 9 AZR 382/07)

 

Tenor

Das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 24.11.2006 – 7 Ca 3670/05 – wird teilweise abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 20.717,19 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 2.301,91 EUR seit dem 01.08., 01.09., 01.10., 01.11., 01.12.2005, 01.01., 01.02., 01.03. und 01.04.2006 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren nur noch darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Miete für eine von ihm in China angemietete Wohnung für die Monate Juli 2005 bis März 2006 zu erstatten.

Der Kläger (geboren 22.07.1967) wurde gemäß Anstellungsvertrag vom 02.05.2002 von der Beklagten zum 06.05.2002 als Büroleiter/Kanton, China eingestellt. Sein Lebenspartner wurde gemäß Anstellungsvertrag vom 02.05.2002 von der Beklagten zum 06.05.2002 als Produktionsleiter/Kanton, China eingestellt.

Der Kläger und sein Lebenspartner bewohnten eine gemeinsame Wohnung in China. Mieter dieser Wohnung war der Kläger. Die monatliche Miete betrug 22.250,00 RMB (= 2.301,91 EUR).

Der Kläger übersandte der Beklagten monatlich eine Excel-Tabelle mit einer Aufstellung des monatlichen Budgets. Darin waren auch die Kosten für die Miete für die vom Kläger und seinem Lebenspartner genutzte Wohnung sowie die Kosten für Mieten anderer Mitarbeiter enthalten. Die Beklagte erstattete diese Aufwendungen monatlich.

Mit Schreiben vom 26.07.2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Lebensgefährten des Klägers fristlos. Durch Urteil vom 12.01.2007 hat das LAG Düsseldorf entschieden, dass diese Kündigung wirksam ist (AZ: 9 Sa 1637/05). Die vom LAG Düsseldorf zugelassene Revision hat der Lebensgefährte des Klägers eingelegt.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat die Beklagte mit Schreiben vom 12.08.2005 fristlos und vorsorglich fristgerecht gekündigt. Durch Urteil vom 11.08.2006 hat das LAG Düsseldorf entschieden, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung nicht beendet worden ist. Soweit sich die Klage gegen die vorsorgliche fristgerechte Kündigung gerichtet hat, hat das LAG Düsseldorf die Klage abgewiesen (AZ: 9 (10) Sa 1638/05).

Im Verlauf des vorliegenden Rechtsstreits ist zwischen den Parteien unstreitig geworden, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der vorsorglichen fristgerechten Kündigung vom 12.08.2005 am 31.03.2006 geendet hat. Vor dem Arbeitsgericht stritten sie auch darüber, ob das Arbeitsverhältnis durch vorsorgliche fristlose Kündigungen der Beklagten vom 14.10.2005 und 04.11.2005 beendet worden ist.

Die Beklagte verweigert die Erstattung der Kosten für die Miete unter Berufung auf § 13 Ziff. 1 des Anstellungsvertrages der Parteien vom 02.05.2002. Darin heißt es:

„Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages sind, auch wenn sie bereits mündlich getroffen wurden, nur wirksam, wenn sie schriftlich festgelegt und von beiden Parteien unterzeichnet worden sind. Dies gilt auch für den Verzicht auf das Schriftformerfordernis.”

Der Kläger hat geltend gemacht, nach § 305 b BGB habe die Vereinbarung zwischen den Parteien, dass die Kosten für die Miete erstattet werden, Vorrang vor der Schriftformklausel in § 13 Ziff. 1 des Arbeitsvertrages.

Er hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigungen der Beklagten vom 14.10.2005 und 04.11.2005 nicht fristlos beendet worden ist, sondern erst mit dem 31.03.2006 sein Ende gefunden hat;
  2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 41.692,86 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 6.948,48 EUR seit dem 01.11.2005, 01.12.2005, 01.01.2006, 01.02.2006, 01.03.2006 und 01.04.2006 abzüglich am 01.06.2006 von der Beklagten gezahlter 12.452,8...

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