Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatzverpflichtung des Arbeitgebers. Steuerschaden bei verspäteter Zahlung der Betriebsrentenanpassungen. Feststellungsinteresse. Einkommensteuerjahresausgleich

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Feststellungsinteresse für eine Schadensfeststellung bei einer möglichen „progressionsbedingten” höheren Steuerbelastung wegen verspäteter Zahlung der Betriebsrentenanpassung durch den Arbeitgeber ist bereits dann zu bejahen, wenn ein derartiger Schaden bis zur endgültigen Klärung im Einkommensteuerjahresausgleich nicht ausgeschlossen ist.

2. Das vermeintliche Vertrauen in eine höchstrichterliche Rechtsprechung schließt ein Verschulden gem. § 276 Abs. 1 BGB nicht aus.

 

Normenkette

ZPO § 256; EStG § 11 Abs. 1 S. 1, § 38 Abs. 2 S. 2, § 38a Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Urteil vom 05.07.2006; Aktenzeichen 4 Ca 669/06)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 28.10.2008; Aktenzeichen 3 AZR 171/07)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 05.07.2006 – 4 Ca 669/06 – wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 05.07.2006 – 4 Ca 669/06 – wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte.

4. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten u. a. darüber, ob die Beklagte dem Kläger den durch eine Ruhegeldnachzahlung entstandenen Steuerschaden zu ersetzen hat.

Der Kläger ist Betriebsrentner der Beklagten und war bis 1980 Mitglied des Verbandes der Führungskräfte (VdF). Er bezieht seit März 1993 ein Ruhegeld nach der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes (LO).

In § 20 der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes ist bestimmt:

„Die laufenden Leistungen werden vom Verband unter Berücksichtigung der Belange der Leistungsempfänger und der wirtschaftlichen Lage der Mitglieder überprüft und gegebenenfalls nach billigem Ermessen angepasst.”

Zum 01.01.1997 wurde das Ruhegeld um 2 % erhöht. Die Inflationsrate im zuvor verstrichenen dreijährigen Anpassungszeitraum betrug 5,6 %. Zum 01.01.2000 erfolgte eine Anpassung in Höhe von 1,2 %. In dem entsprechenden Anpassungszeitraum belief sich der Geldverlust auf 3,44 %.

Dem Kläger wurde auf seine Klage vor dem Arbeitsgericht Essen zum 31.01.2006 insgesamt brutto 10.005,78 EUR aus unzureichender Anpassung 1997 und 2000 abgerechnet. Die Nachzahlung wurde zusammen mit dem Ruhegeld für Februar 2006 in Höhe von 2.287,30 EUR brutto und einem Energiekostenzuschuss von 86,15 EUR abgerechnet. Von dem Gesamtbetrag behielt die Beklagte Steuern und Sozialversicherung von insgesamt 4.193,36 EUR ein.

Über die Nachzahlung erteilte die Beklagte eine Abrechnung unter dem 11.01.2006 (Bl. 5 d. A.) nebst einem Kontoauszug (Bl. 6 d. A.), aus dem einbehaltene Steuern und Sozialabgaben für den Gesamtbetrag zu ersehen waren. Mit seiner Klage hat der Kläger eine neue Abrechnung und Auskünfte verlangt. Er hat geltend gemacht, die Abrechnung sei unzureichend und falsch.

Darüber hinaus hat der Kläger geltend gemacht, dass ihm die Beklagte zum Ersatz des Schadens dem Grunde nach verpflichtet sei, der in der höheren Steuerlast bei der Nachzahlung im Vergleich zu den Steuern zu sehen sei, die bei ordnungsgemäßer monatlicher Rentenzahlung seit dem 01.01.1997 monatlich im voraus gezahlt worden wäre. Die Höhe des Schadens lasse sich erst nach Bestandskraft der Veranlagung zur Einkommensteuer 2006 beziffern.

Die Beklagte sei ihrer Verpflichtung zur korrekten Leistungsbestimmung bei den Anpassungen der Betriebsrente zum 01.01.1997 und 01.01.2000 schuldhaft nicht nachgekommen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

  1. ihm Rechnung zu legen über die Gutschrift auf Konto Nr. der Sparkasse Aachen vom 01.02.2006 für den zum 31.01.2006 geschuldeten Nachzahlungsbetrag von brutto 10.005,78 EUR durch Ausweis, der auf die Nachzahlung entfallenden Abzüge für Lohnsteuer, Kirchensteuer, Krankenkasse, Pflegeversicherung und Solidaritätszuschlag;
  2. Steuern und Beiträge für die in der Überweisung von netto 8.185,79 EUR enthaltene Ruhegeldnachzahlung von brutto 10.005,70 EUR gesondert ohne den Monatsbezug für März 2006 von brutto 2.287,30 EUR Ruhegeld und brutto 86,15 EUR Energiekostenzuschuss abzurechnen;
  3. für die Abrechnung gemäß Ziffern 1 und 2 Steuerermäßigung durch Vergleichsberechnung zwischen Normalbesteuerung und Fünftelungsverfahren nach § 39 b EStG zu gewähren;
  4. bei günstigerem Fünftelungsverfahren nach § 39 b Absatz 3 Satz 9 EStG Lohnsteuer so zu ermitteln, dass der zugeflossene Bruttobetrag der Nachzahlung zum Zwecke der Steuerberechnung mit einem Fünftel angesetzt und die sich dieses Fünftel ergebende Steuer verfünffacht wird und
  5. den sich aus der Abrechnung gemäß den Ziffern 1 bis 4 ergebenden Fehlbetrag im Vergleich zu der bisherigen Überweisung von netto 8.185,79 EUR nachzuzahlen;

festzustellen, dass die Beklagte zum Schadensersatz dem Grunde nach verpflichtet ist, soweit der Kläger für die Nachzahlung von brutto 10.005,70 EUR höhere Steuern schuldet al...

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