Entscheidungsstichwort (Thema)

Wet-Lease-Vereinbarung keine Arbeitnehmerüberlassung. Werkvertragscharakter einer Wet-Lease-Vereinbarung. Ordnungsgemäßes Konsultationsverfahren gegenüber Personalvertretung Cockpit

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einer Wet-Lease-Vereinbarung in der Form des sog. ACMIO-Vertrags im Bereich der Luftfahrt, aufgrund derer ein Luftfahrtunternehmen die Flüge im Auftrag eines anderen Luftfahrtunternehmens nach dessen näherer Weisung und innerhalb dessen Flugplans mit eigenem Flugzeug und eigener Crew sowie Gewährleistung von Wartung, Versicherung und sonstigem Overhead durchführt, handelt es sich nicht um Arbeitnehmerüberlassung iSv. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG. Geschuldet wird die Erbringung von Flugdienstleistungen, für die die Schuldnerin einzustehen hat.

 

Normenkette

AÜG § 1 Abs. 1, § 10 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 613a Abs. 1; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; ArbGG § 69 Abs. 2; KSchG § 17 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 08.12.2020; Aktenzeichen 16 Ca 4609/20)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 08.12.2020 - 16 Ca 4609/20 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund betriebsbedingter Kündigung des Beklagten zu 1) beendet worden ist sowie darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund eines Betriebsübergangs oder aber aufgrund verbotener Arbeitnehmerüberlassung mit der Beklagten zu 2) besteht.

Der Beklagte zu 1) ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Luftfahrtgesellschaft F. mbH (im Folgenden: Schuldnerin), einer deutschen Fluggesellschaft mit zuletzt ca. 348 Mitarbeitern im Bereich Boden, Cockpit und Kabine. Ihr Geschäftssitz war U.. Für die Arbeitnehmer des Bereichs Cockpit war gemäß § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG durch den Tarifvertrag Personalvertretung Nr. 1 vom 05./10.02.2014 (im Folgenden TV-PV) eine Personalvertretung Cockpit (im Folgenden PV Cockpit) errichtet worden. Die Beklagte zu 2) ist eine Fluggesellschaft des C.-Konzerns mit ca. 9.000 Mitarbeitern und Sitz in U..

Die Klagepartei war seit dem 19.05.2014 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 15.04.2014 bei der Schuldnerin als Copilot und zuletzt Flight Safety Officer zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von 5.490,72 F. beschäftigt. Sie war am Flughafen U. stationiert.

Die Schuldnerin trat nicht eigenständig am Markt als Anbieter von Flugreisen gegenüber Endkunden auf, sondern betrieb Flüge im Wet-Lease auf der Grundlage sog. ACMIO-Verträge (Aircraft, Crew, Maintenance, Insurance, Overhead). Dabei stellte sie ein Flugzeug (Aircraft) nebst Besatzung (Crew), Wartung (Maintenance), Versicherung (Insurance) und Betriebskosten (Overhead) einer anderen Fluggesellschaft für deren Flugstrecke zur Verfügung, wobei Flugzeuge und Besatzung nach außen wahrnehmbar, etwa durch die Lackierung des Flugzeugs und die Uniformen des Kabinenpersonals, dem Auftraggeber zugeordnet sind und gegenüber den Fluggästen lediglich ein Hinweis auf den im Wet-Lease operierenden Dienstleister erfolgt. Über eigene Flugzeuge verfügte die Schuldnerin nicht, sondern leaste sie ihrerseits von Dritten im sog. Dry-Lease. Über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügte die Schuldnerin nicht.

Die Schuldnerin flog in diesem Wet-Lease-Geschäftsmodell zunächst ausschließlich für das Luftverkehrsunternehmen Air C. PLC und Co. Luftverkehrs KG (im folgenden Air M.). Hierzu leaste sie jedenfalls 15 Flugzeuge des Typs Dash 8 Q400 (im Folgenden: Dash) im Wege des Dry-Lease, sei es von Air M., sei es von der Deutschen M. AG (im Folgenden E. AG) bzw. Konzernunternehmen der M.. Im Jahr 2008 erwarb Air U. die Geschäftsanteile der Schuldnerin, Anfang 2017 wurden diese von der Komplementärin der Air C. übernommen. Nach der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Air U. im August 2017 erwarb die M. D. Holding GmbH (im Folgenden M. GmbH), eine 100%ige Tochtergesellschaft der E. AG, die Geschäftsanteile an der Schuldnerin mit Anteilskauf- und Übertragungsvertrag vom 13.10.2017.

Am 25.10.2017 schloss die Schuldnerin als Leasinggeber mit der Beklagten zu 2) als Leasingnehmer einen ACMIO Rahmenvertrag (im Folgenden ACMIO RV). In diesem hieß es u.a.:

"IN ANBETRACHT DER TATSACHE, DASS

(A) der Leasinggeber beabsichtigt, eine bestimmte kommerzielle Fahrgastbeförderung für den Leasingnehmer auf Grundlage von ACMIO (wet lease1) wie nachstehend dargestellt durchzuführen und dass der Leasingnehmer beabsichtigt, diese Leistungen des Leasinggebers anzunehmen, und dass

(B) die Vertragsparteien einen oder mehrere ACMIO Kurzverträge über die Erbringung von Leistungen in Erwägung ziehen, wobei diese Vereinbarungen dann den hierin und in Anlage 1 (Kurzform ACMIO) genannten Bedingungen unterliegen (um Missverständnisse zu vermeiden sind sämtliche Kurzform-ACMIOs Bestandteil dieses Vertrages),

WIRD NUNMEHR FOLGENDES VEREINBART:

1. Begriffsbestimmungen und Auslegung

1.1 Sofern nicht kontextuell ...

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