Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitliche Vorgaben für die Rügepflicht von Anpassungsentscheidungen zur Betriebsrente. Persönlicher Geltungsbereich verbandlicher Rügen der Anpassungsentscheidungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch für die jährlichen Anpassungen gemäß § 9 der Leistungsordnung A des Essener Verbandes gilt der für den Anwendungsbereich des § 16 BetrAVG entwickelte Grundsatz der streitbeendenden Wirkung früherer, nicht gerügter Anpassungsentscheidungen. Ob die Rüge innerhalb eines Jahres bis zum nächsten Anpassungsstichtag oder wie im Anwendungsbereich des § 16 BetrAVG innerhalb von drei Jahren seit dem letzten Anpassungsstichtag erfolgen muss, bedurfte vorliegend keiner Entscheidung, da der Kläger auch die längere Frist nicht gewahrt hat.

2. Rügen eines Verbandes, der die Interessen seiner Mitglieder wahrnimmt, wirken im Regelfall nicht zugunsten von Nichtmitgliedern.

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Versorgungsempfänger, der eine Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers nach § 16 BetrAVG für unrichtig hält, muss dies vor dem nächsten Anpassungsstichtag dem Arbeitgeber gegenüber wenigstens grundsätzlich geltend machen. Denn mit dem nächsten Anpassungsstichtag erlischt der Anspruch auf Korrekturen einer früheren Anpassungsentscheidung.

 

Normenkette

BetrAVG § 16 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Entscheidung vom 29.03.2017; Aktenzeichen 4 Ca 56/17)

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 19.05.2021; Aktenzeichen 1 BvR 1814/19, 1 BvR 1810/19, 1 BvR 1815/19)

BAG (Urteil vom 14.05.2019; Aktenzeichen 3 AZR 111/18)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 29.03.2017 - Az.: 4 Ca 56/17 - wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
  3. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Betriebsrentenerhöhungen zum 01.01.2008 und 01.01.2009.

Der Kläger war bei der Beklagten beschäftigt. Er bezieht eine Betriebsrente nach der Leistungsordnung A des Essener Verbandes (im Folgenden: LO). In der seit dem 1. Oktober 2006 geltenden Fassung heißt es u.a.:

"TEIL I

Leistungen an Angestellte, die bis zum Eintritt des Leistungsfalles in einem Dienstverhältnis zu einem Mitglied des Essener Verbandes gestanden haben, und an deren Hinterbliebene.

§ 1 Leistungen

Leistungen im Sinne dieser Leistungsordnung sind:

a) Ruhegeld,

b) Hinterbliebenenbezüge.

...

§ 3

Berechnung des Ruhegeldes

(1) Das Ruhegeld richtet sich unter Anwendung der Bestimmungen der §§ 7 und 8 nach

a) den einzelnen Gruppen, zu denen der Angestellte angemeldet worden ist,

b) den bei Eintritt des Leistungsfalles geltenden Gruppenbeträgen, ...

c) den Dienstjahren, die gemäß der Anmeldung in den einzelnen Gruppen zu berücksichtigen sind (Dienstjahre).

...

(3) Das Ruhegeld beträgt für jedes zu berücksichtigende Dienstjahr 4 vH des Betrages der Gruppe, zu der der Angestellte jeweils angemeldet worden ist; ...

...

§ 9

Neuberechnung und Anpassung der Zahlbeträge

...

(2) Die Zahlbeträge werden vom Verband regelmäßig überprüft und gegebenenfalls den veränderten Verhältnissen angepasst.

TEILII

Leistungen an vorzeitig ausgeschiedene Angestellte und an

deren Hinterbliebene

§ 10 Unverfallbarkeit

(1) Endet das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit dem Mitglied vor Eintritt des Leistungsfalles, bleibt die Versorgungsanwartschaft zu einem Teil erhalten, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der Unverfallbarkeit nach dem Betriebsrentengesetz erfüllt sind.

...

§11

Höhe der unverfallbaren Anwartschaft

(1) Die Höhe der unverfallbaren Anwartschaft errechnet sich nach den Bestimmungen des Betriebsrentengesetzes.

...

(3) Ab Eintritt des Leistungsfalles werden die Leistungen durch das Mitglied nach § 16 BetrA VG überprüft."

In der seit dem 1. Januar 2009 geltenden Fassung der Leistungsordnung "A" wurde die Abkürzung "BetrAVG" in § 11 Abs. 3 LO 2006 durch den Begriff "Betriebsrentengesetz" ersetzt. Im Übrigen blieben die zitierten Regelungen der LO 2006 unverändert.

Die Satzung des Essener Verbandes in der Fassung vom 1. Januar 1997 lautet auszugsweise:

"§ 3

Aufgaben des Verbandes

(1) Der Verband hat die Leistungsordnungen bei Bedarf anzupassen.

...

(2) Darüber hinaus hat er die Zahlbeträge der laufenden Leistungen regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls den veränderten Verhältnissen anzupassen.

...

§ 5

Pflichten der Mitglieder gegenüber dem Verband

(1) Die Mitglieder sind verpflichtet, die Satzung, die Leistungsordnungen und die Beschlüsse der Organe des Verbandes einzuhalten, es sei denn, daß dies einem Unternehmen aufgrund nachhaltiger wesentlicher Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Lage nicht mehr zugemutet werden kann."

Beim Essener Verband erfolgt jährlich zum 01.01. eine Anpassungsprüfung. Das Ruhegeld des Klägers wurde jeweils entsprechend den Anpassungsbeschlüssen erhöht.

Mit Schreiben vom 25. September 2007 informierte der Essener Verband den Kläger darüber, dass die Rente zum 01.01.2008 um 1,4% angepasst werde. Das Schreiben hatte auszugsweise folgenden Inhalt:

"Sehr geehrter Herr...,

der Vorstand hat am 28.08. und 11.09.2007 f...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge