Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Regelung der Anzahl der Verlängerungen befristeter Arbeitsverträge und der Höchstdauer der Befristung durch Tarifvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

Nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG können durch Tarifvertrag nicht nur entweder die Anzahl der Verlängerungen befristeter Arbeitsverträge oder die Höchstdauer der Befristung, sondern kumulativ beide Vorgaben abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG geregelt werden. Mit der Vereinbarung einer zulässigen Höchstdauer von 5 Jahren für die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes und die in diesem Rahmen vorgegebene höchstens fünfmalige Vertragsverlängerung (Ziffer 2.3.1 des Manteltarifvertrages für die E.ON Service GmbH) überschreiten die Tarifvertragsparteien nicht die ihnen durch die gesetzliche Öffnungsklausel eingeräumte Dispositionsbefugnis. Die Regelung verstößt auch nicht gegen unionsrechtliche Vorgaben.

 

Normenkette

TzBfG § 14 Abs. 2 Sätze 3, 1, § 143 Abs. 2 S. 2, § 14 Abs. 2 S. 4, § 22 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Entscheidung vom 17.07.2014; Aktenzeichen 5 Ca 590/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.10.2016; Aktenzeichen 7 AZR 140/15)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 17.07.2014 - 5 Ca 590/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung.

Der am 09.11.1980 geborene Kläger wurde zum 15.01.2012 aufgrund Arbeitsvertrag vom 16.12.2011 befristet für den Zeitraum vom 15.01.2012 bis zum 31.12.2013 im Betrieb der Beklagten als kaufmännischer Mitarbeiter im Bereich Anlagen/Bauleistungen/Rohrleitungstechnik/Verfahrenstechnik zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 2.932,00 € eingestellt. Am 11.12.2013 bzw. 16.12.2013 vereinbarten die Parteien eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.03.2014. Beide Befristungen erfolgten als Zeitbefristungen unter Bezug auf § 14 Abs. 2 TzBfG iVm. Ziffer 2.3.1.

§ 11 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 16.12.2011 enthält eine Bezugnahmeklausel, nach welcher unabhängig von der Gewerkschaftszugehörigkeit des Mitarbeiters die jeweils für die Gesellschaft kraft eigenen Abschlusses, kraft Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband oder kraft Allgemeinverbindlichkeit anwendbaren Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung finden. Dies sind nach den weiteren Ausführungen in § 11 Abs. 1 des Arbeitsvertrages der von der Arbeitgebervereinigung energiewirtschaftlicher Unternehmen e.V. (im Folgenden: AVE) abgeschlossene Mantel-, Entgeltrahmen- und Entgelttarifvertrag.

Ziffer 2.3.1 des MTV, der am 01.03.2012 zwischen der AVE und der IG BCE für die E.ON Service GmbH und die Beklagte als Mitglieder der Tarifgruppe "Dienstleistung" abgeschlossen wurde, bestimmt Folgendes:

"Höchstzulässige Befristungsdauer und Anzahl der Verlängerung

Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer ist auch die höchstens fünfmalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig."

Mit der bei Gericht am 27.02.2014 eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Befristung der Verträge.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die von den Tarifvertragsparteien vereinbarte Erhöhung der gesetzlich zulässigen Höchstdauer der Befristung von zwei auf fünf Jahre unzulässig sei. Hierdurch würden Arbeitnehmerrechte unzulässig beeinträchtigt. Insbesondere sei nicht zu erkennen, weshalb in der Energiewirtschaft eine besondere Notwendigkeit für Befristungen ohne sachlichen Grund bestehe. Hinzu komme, dass der Manteltarifvertrag nicht aufgrund beidseitiger Verbandszugehörigkeit, sondern lediglich aufgrund vertraglicher Vereinbarung zur Anwendung gelange. Insoweit unterliege er einer AGB-Kontrolle.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristung im Arbeitsvertrag vom 11.12.2013 zum 31.03.2014 beendet ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass die Verlängerung der gesetzlichen Höchstdauer der Befristung durch die Regelung in Ziffer 2.3.1. des MTV wirksam sei, da sie sich im Rahmen der gesetzlichen Tariföffnungsklausel des § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG bewege.

Mit Urteil vom 17.07.2014 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass die Befristung wirksam sei. Auf das Arbeitsverhältnis finde der am 01.03.2012 zwischen der AVE und der IG BCE für die E.ON Service GmbH und die Beklagte als Mitglieder der Tarifgruppe "Dienstleistung" abgeschlossene Manteltarifvertrag kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Gem. Ziffer 2.3.1 des Tarifvertrages sei eine Befristung eines Arbeitsvertrages bis zu einer Dauer von fünf Jahren und eine höchstens fünfmalige Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig. Der Tarifvertrag weiche zwar von § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 TzBfG ab. § 14 A...

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