Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung durch den Insolvenzverwalter wegen Betriebsstilllegung. Fehlende Zustimmung des Insolvenzgerichts

 

Leitsatz (amtlich)

Kündigt ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter) die Arbeitsverhältnisse der bei der Gemeinschuldnerin beschäftigten Arbeitnehmer wegen geplanter Betriebsstilllegung, ist die Kündigung unwirksam, wenn die Zustimmung des Insolvenzgerichts zur Betriebsstilllegung (§ 22 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. InsO) nicht im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vorliegt (im Anschluss an BAG Urteil vom 29.06.2000 – 8 ABR 44/99BAGE 95, 197-210).

 

Normenkette

InsO § 22 Abs. 2 Nr. 2; BGB § 134; KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 12.12.2002; Aktenzeichen 9 Ca 5890/02)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 12.12.2002 – 9 Ca 5890/02 – wird kostenfällig als unbegründet zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer von dem Beklagten in seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Firma F. GmbH am 20.06.2002 zum 31.12.2002 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung.

Der Kläger ist seit dem 01.07.1996 bei der Gemeinschulderin, einem Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen aus der

Telekommunikationsbranche, als Senior Consultant zu einem Gehalt von zuletzt 10.300.– EUR beschäftigt gewesen.

Durch Beschluss vom 23.04.2002 ordnete das Amtgerichts Düsseldorf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Firma F. GmbH und bestellte den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter; am 17.06.2002 wurde ihm die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übertragen. Das Insolvenzgericht stimmte einer Stilllegung des Betriebes nicht gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 2 InsO zu. Am 01.07.2002 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

Bereits am 20.6.2002 hatte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.12.2002 gekündigt und die Kündigung damit begründet, er habe sich unter dem 17.06.2002 entschlossen, den Betrieb der Gemeinschuldnerin mit Wirkung zum 31.12.2002 stillzulegen.

Der Kläger hat die beabsichtigte Betriebsstillegung bestritten.

Wegen des weiteren Sach- und Streitgegenstandes wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 12.12.2002 verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage des Klägers mit der Begründung stattgegeben, aus dem Vorbringen des Beklagten lasse sich keine endgültige und abschließende Planung erkennen, die einen dringenden betrieblichen Grund i.S. des § 1 Abs. 2 KSchG darstelle.

Der Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und sie in seiner Berufungsbegründungsschrift damit begründet, im Zeitpunkt der Kündigung habe sich bei vernünftiger betriebswirtschaftlicher Betrachtung die Prognose ergeben, dass der Betrieb zum 31.12.2002 stillgelegt wird. Mit diesem Datum sei auch der Ablauf der einzuhaltenden Kündigungsfrist des Klägers markiert worden. Die Arbeitskraft des Klägers sei nach dem 31.12.2002 im Betrieb des Schuldners nicht mehr benötigt worden, da der Betrieb der Schuldnerin zu diesem Zeitpunkt nachweislich stillgelegt worden sei.

Der Beklagte wiederholt deshalb seinen erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag.

Demgegenüber beantragt der Kläger die Zurückweisung der Berufung. Er bestreitet, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die ernsthafte Absicht bestanden habe, zum 31.12.2002 den Betrieb stillzulegen, zumal noch im Kündigungszeitpunkt über eine Weiterveräußerung der Gesellschaftsanteile verhandelt worden sei.

Wegen des weiteren Partei Vorbringens wird auf den vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat richtig entschieden.

I.

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses am 20.06.2002 zum 31.12.2002 ist bereits deshalb unwirksam, weil der Beklagte in seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter) nach seinem Vortrag am 17.06.2002 die Stillegung des Betriebes der Gemeinschuldnerin beschlossen hatte, ohne zuvor die Zustimmung des Insolvenzgerichts gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. InsO eingeholt zu haben und in Durchführung dieser Stillegungsentscheidung das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger aufgekündigt hat.

1. Nach § 22 Abs. 2 Nr. 2. Alt. InsO muss der vorläufige Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zur Stilllegung des Schuldnerunternehmens die Zustimmung des Insolvenzgerichts haben, anderenfalls die Stilllegung unwirksam ist. Dieser vorläufige Insolvenzverwalter ist mithin unter zwei Voraussetzungen zur Stilllegung des Schuldnerbetriebes berechtigt: Einmal muss sie erforderlich sein, um eine erhebliche Verminderung des Haftungsvermögens zu vermeiden; zum anderen muss das Insolvenzgericht der Betriebs...

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