Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachwirkung bei Anwendung eines Tarifvertrages aufgrund betrieblicher Übung

 

Leitsatz (amtlich)

Gewährt der Arbeitgeber tarifliche Leistungen unabhängig von der Gewerkschaftsangehörigkeit an sämtliche Arbeitnehmer kraft betrieblicher Übung, so haben die nicht organisierten Arbeitnehmer nach Ablauf des gekündigten Tarifvertrages im Nachwirkungszeitraum des § 4 Abs. 5 TVG Anspruch auf Weitergewährung kraft betrieblicher Übung.

 

Normenkette

TVG § 4 Abs. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Duisburg (Urteil vom 22.05.1997; Aktenzeichen 1 Ca 862/97)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 22.05.1997 – 1 Ca 862/97 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die nicht tarifgebundene Klägerin ist bei der Beklagten aufgrund eines schriftlichen Anstellungsvertrages vom 16.01.1995 seit diesem Tag als Bauzeichnerin beschäftigt. Ihr derzeitiger monatlicher Bruttoverdienst beträgt 4.860,– DM.

§ 2 des Anstellungsvertrages enthält folgende Regelung:

„Soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart werden kann und vereinbart worden ist, unterliegt das Arbeitsverhältnis der Betriebsordnung der Gesellschaft, die in der Anlage beigefügt ist, den Betriebsvereinbarungen und – gemäß deren persönlichen Geltungsbereich – den einschlägigen Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung, insbesondere dem Rahmentarifvertrag für die technischen und kaufmännischen Angestellten des Baugewerbes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.”

Die tarifgebundene Beklagte hatte seit Jahren an sämtliche Mitarbeiter ihrer D. Niederlassung unabhängig von ihrer Tarifbindung mit dem Novemberentgelt ein 13. Monatseinkommen nach dem Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens für die Angestellten des Baugewerbes vom 27.04.1990 gezahlt. Nach § 2 dieses Tarifvertrages beträgt das 13. Monatseinkommen ab 01.01.1992 100 v.H. des Tarifgehalts.

Nachdem dieser Tarifvertrag zum 31.10.1996 gekündigt worden war, hat die Beklagte mit den Monatsbezügen für den November 1996 an ihre Mitarbeiter ebenfalls unabhängig von ihrer Tarifbindung nur 2/3 des 13. Monatseinkommens gezahlt. An die Klägerin zahlte sie einen Betrag in Höhe von 3.111,– DM brutto. Das Tarifgehalt der Klägerin beträgt 4.666,– DM brutto. Mit der vorliegenden Klage begehrt sie Zahlung des restlichen Drittels in Höhe 1.555,– DM brutto.

Sie ist der Auffassung, daß sie durch die Bezugnahmeklausel in dem Arbeitsvertrag einer tarifungebundenen Arbeitnehmerin gleichgestellt werden sollte. Aufgrund dessen habe die volle Zahlung eines 13. Monatseinkommens wie bei tarifgebundenen Arbeitnehmern auch im Nachwirkungszeitraum zu erfolgen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.555,– DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 07.03.1997 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch auf ein restliches tarifliches 13. Monatseinkommen in Höhe von 1.555,– DM brutto nicht zu.

Nachdem der einschlägige Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens für die Angestellten des Baugewerbes vom 27.04.1990 zum 31.10.1996 wirksam gekündigt worden sei, habe diese Kündigung die Entstehung eines tariflichen Anspruchs per 30.11.1996 (Stichtag) verhindert. Die in § 4 Abs. 5 TVG angeordnete Nachwirkung des gekündigten Tarifvertrags komme der Klägerin nicht zugute, da sie in der Zeit bis zum 30.10.1996 nicht tarifgebunden gewesen sei.

Auch der Anstellungsvertrag vom 16.01.1995 scheide als Anspruchsgrundlage aus. In dessen § 2 heiße es zwar, das Arbeitsverhältnis unterliege den einschlägigen Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung. Dies helfe der Klägerin jedoch nicht weiter. Die Blankettverweisung im Arbeitsvertrag beschränke sich nämlich ausdrücklich auf die jeweils gültige Tarifvertragsfassung. Die Neufassung vom 23.06.1995 sei durch Kündigung per 31.10.1996 außer Kraft getreten und nicht durch eine weitere Neufassung ersetzt worden, so daß es am 13.11.1996 (Stichtag) keine gültige Tarifvertragsfassung gegeben habe. Wie sich aus dem Vertragswortlaut ergebe, erstrecke sich die Übernahmevereinbarung nicht auf ersatzlos außer Kraft getretene Tarifverträge, die im Fall beiderseitiger Tarifgebundenheit gemäß § 4 Abs. 5 TVG nachwirken würden. Die Parteien hätten nämlich nicht auf die einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung abgestellt, was für eine Blankettverweisung ohne weiteres genügt hätte, sondern betont, daß es sich stets um eine gültige Tarifvertragsfassung handeln müsse.

Auch eine das Klagebegehren rechtfertigende Betriebsübung sei keinesfalls entstanden, da die Beklagte per 30.11.1995 in Erfüllung des Anstellungsvertrages gezahlt habe.

Das Arbeitsgericht Duisburg hat durch Urteil vom 22.05.1997 der Klage stattgegeben.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht, auf dessen Entscheidungsgründe im übrigen verwiesen wird, im wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin habe Anspruch auf Zah...

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