Entscheidungsstichwort (Thema)

Bezugnahmeklausel auf mehrgliedrige Tarifverträge der Zeitarbeitsbranche in einem Formulararbeitsvertrag. Auslegung von Arbeitsverträgen in der Zeitarbeitsbranche. Intransparenz einer Bezugnahmeklausel auf mehrgliedrige Tarifverträge

 

Leitsatz (amtlich)

Eine in einem Formulararbeitsvertrag enthaltene Klausel, durch die mehrgliedrige Tarifverträge für die Zeitarbeitsbranche für auf das Arbeitsverhältnis anwendbar erklärt werden, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Derartige Bestimmungen sind von Beginn an intransparent.

 

Normenkette

AÜG § 10 Abs. 4; BGB § 307 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Wesel (Entscheidung vom 06.01.2012; Aktenzeichen 4 Ca 2112/11)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 06.01.2012 - Az. 4 Ca 2112/11 - teilweise abgeändert.

  • 2.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 893,46 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2011 zu zahlen.

  • 3.

    Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

  • 4.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 6/7, die Beklagte zu 1/7.

  • 5.

    Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Entgeltdifferenzansprüche.

Der Kläger war vom 12.07.2010 bis zum 30.04.2011 bei der Beklagten als Zerspannungsmechaniker beschäftigt.

Die Beklagte betreibt ein Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen.

Die arbeitsvertraglichen Beziehungen der Parteien bestimmten sich ursprünglich nach dem Arbeitsvertrag vom 21.06.2010 (Bl. 32 ff. d.A.). Nach diesem Arbeitsvertrag fanden auf das Arbeitsverhältnis die zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. (AMP) einerseits und der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP), der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM), der DHV - Die Berufsgewerkschaft e.V. (DHV), dem Beschäftigtenverband Industrie, Gewerbe, Dienstleistung (BIGD), dem Arbeitnehmerverband land- und ernährungswirtschaftlicher Berufe (ALEB) und der medsonet. Die Gesundheitsgewerkschaft (medsonet) andererseits abgeschlossenen Tarifverträge, bestehend aus Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag, Entgelttarifverträgen sowie Beschäftigungssicherungstarifvertrag in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung. Dies sollte nach § 2 Ziff. 2 nur dann anders sein, wenn die arbeitsvertraglichen Bestimmungen für den Mitarbeiter eine günstigere Regelung enthalten.

§ 9 des Arbeitsvertrages vom 21.06.2010 bestimmt wörtlich Folgendes:

"§ 9 Geltendmachung und Ausschluss von Ansprüchen

1.

Alle beiderseitigen Ansprüche aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder seiner Beendigung verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit gegenüber der jeweils anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden.

2.

Der Fristablauf beginnt, sobald der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsberechtigte von den, den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste.

3.

Lehnt die jeweils andere Vertragspartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von einem Monat nach der schriftlichen Geltendmachung, so verfällt der Anspruch, wenn er nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Ablehnung oder nach dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

4.

Abs. 1 und Abs. 2 gelten nicht für Ansprüche, die sich aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit sowie aus vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzungen des Mitarbeiters oder A. bzw. eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen von A. ergeben.

5.

Abs. 1 bis 3 gelten nicht, soweit die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge eine für den Mitarbeiter günstigere Regelung über den Ausschluss oder den Verfall von Ansprüchen enthalten."

Unter dem gleichen Datum schlossen die Parteien eine Zusatzvereinbarung zu dem Arbeitsvertrag vom 21.06.2010 (Bl. 56 d.A.). Hierin wird vor dem Hintergrund der Inbezugnahme der von dem AMP und der CGZP sowie weiterer Gewerkschaften geschlossenen Tarifverträge im Arbeitsvertrag darauf hingewiesen, dass zum Teil bestritten wird, dass die CGZP Tarifverträge abschließen kann bzw. tariffähig ist sowie dass dies durch Entscheidung des LAG Berlin vom 07.12.2009 bestätigt wurde. Es wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass dies zu einem höheren Anspruch auf Vergütung führen kann. Für den Fall der Unwirksamkeit der in Bezug genommenen Tarifverträge vereinbarten die Parteien die Anwendbarkeit der Tarifverträge des Bundesverbandes Zeitarbeit Personaldienstleistungen e.V. (BZA) und der Tarifgemeinschaft der Mitgliedsgewerkschaften des DGB.

Mit Beschluss vom 07.12.2009 (Az.: 23 TaBV 1016/09) stellte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg fest, dass die CGZP nicht tariffähig ist. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Rechtsbeschwerde wies das Bundesarbeitsgericht am 14.12.2010 (Az.: 1 ABR 19/10) zurück.

Unter dem 29.03.2011 schlossen die Parte...

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