Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Unterrichtung des Betriebsrats während eines Verfahrens nach § 101 S. 1 BetrVG

 

Leitsatz (amtlich)

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung einer Einstellung als personelle Einzelmaßnahme. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der eingestellte Arbeitnehmer leitender Angestellter ist. Nach einer Unterrichtung des Betriebsrates nach § 105 BetrVG hat die Arbeitgeberin während eines vom Betriebsrat eingeleiteten Verfahrens nach § 101 Satz 1 BetrVG den Betriebsrat vorsorglich auch nach § 99 Abs. 1 BetrVG beteiligt, ohne die Einstellung zuvor aufzuheben. Leitsätze zu 14 TaBV 57/16 1.Die nachträgliche und vorsorgliche Unterrichtung des Betriebsrates nach § 99 Abs. 1 BetrVG während eines Verfahrens nach § 101 Satz 1 BetrVG ist rechtlich zulässig, ohne dass eine bereits vorgenommene Einstellung vor der Unterrichtung erst aufgehoben werden müsste. Dies gilt auch dann, wenn zunächst ein betriebsverfassungswidriger Zustand vorgelegen hat. Die in § 99 BetrVG geregelte Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen ist erst dann beendet, wenn ein betriebsverfassungsgemäßer Zustand eingetreten ist. 2.Eine faktisch rechtswidrige Durchführung der Maßnahme in der Vergangenheit hindert den Arbeitgeber aufgrund des zukunftsgerichteten Charakters des Verfahrens nach § 99 BetrVG nicht daran, die Maßnahme zukünftig auf betriebsverfassungsrechtlich ordnungsgemäßer Grundlage durchzuführen. 3.Für die Entscheidung des Gerichts über einen Antrag nach § 101 Satz 1 BetrVG kommt es auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung der Beteiligten an. Ein möglicher Beteiligungsmangel kann bis dahin geheilt werden.

 

Normenkette

BetrVG § 101 S. 1, § 99 Abs. 1, § 5 Abs. 3, § 99 Abs. 3 S. 2, § 5 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Entscheidung vom 04.05.2016; Aktenzeichen 4 BV 4/16)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 21.11.2018; Aktenzeichen 7 ABR 16/17)

 

Tenor

  1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Essen vom 04.05.2016 (4 BV 4/16) abgeändert und der Antrag des Antragstellers zurückgewiesen.
  2. Die Rechtsbeschwerde wird für den Antragsteller zugelassen.
 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung einer Einstellung als personelle Einzelmaßnahme.

Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin gehört zum globalen Konzern K. Controls und bietet Equipment, Steuerungssysteme und Dienstleistungen für Heizungs-, Lüftungs-, Klimatisierungs- und Kühlsysteme an. Sie unterhält bundesweit 14 Betriebe. Der zu 1) beteiligte Antragsteller ist der für den Betrieb "F.-G." gebildete Betriebsrat mit sieben ordentlichen Mitgliedern.

Die Arbeitgeberin stellte zum 01.10.2015 Herrn V. N. als "Branch Manager" im Betrieb F.-G. für den Bereich Service ein und hatte den Betriebsrat vor der Einstellung am 20.08.2015 nach § 105 BetrVG unterrichtet.

Mit seinem am 11.01.2016 bei dem Arbeitsgericht Essen eingegangenen und der Arbeitgeberin am 19.01.2016 zugestellten Antrag hat der Betriebsrat die Aufhebung der Einstellung des Herrn N. begehrt.

Im Anschluss an den Gütetermin vor dem Arbeitsgericht vom 15.02.2016 hörte die Arbeitgeberin den Betriebsrat am 22.02.2016 vorsorglich gem. § 99 BetrVG zur Einstellung des Herrn N. wie folgt an:

"Vorsorgliche Anhörung zur Einstellung gem. § 99 Abs. 1 BetrVG

Sehr geehrter Herr P., sehr geehrtes Gremium,

wir beabsichtigen, rückwirkend zum 01.10.2015, die nachfolgende Person als Branch Manager in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis einzustellen.

Unserer Auffassung nach ist ein Branch Manager leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 und 4 BetrVG. Daher haben wir sie unter dem Datum des 20.08.2015 nach Maßgabe des § 105 BertVG ordnungsgemäß über die Einstellung von Herrn N. unterrichtet.

Da sich der Betriebsrat jedoch auf den Standpunkt stellt, dass die Branch Manager im Unternehmen keine leitende Angestellten im vorgenannten Sinne darstellen, hören wir Sie vorsorglich und unter Aufrechterhaltung unserer Rechtsauffassung zusätzlich gem. § 99 BetrVG zur beabsichtigten Einstellung von Herrn N. an."

Es folgen Angaben zu den persönlichen Daten des Herrn N., zum Arbeitsplatz, zum Gehalt sowie zur Arbeitszeit. Im Anschluss daran enthält das Schreiben vom 22.02.2016 folgende Ausführungen der Arbeitgeberin:

"Da sie bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Essen vom 15.02.2016 ausgeführt haben, dass gegen die Einstellung von Herrn N. - bis auf die unterschiedliche Rechtsauffassung der Betriebsparteien in Bezug auf die Qualifizierung der Branch Manager - keinerlei Bedenken bestehen, gehen wir davon aus, dass der Betriebsrat der Einstellung nicht widersprechen wird.

Wir bitten um Zustimmung."

Der Betriebsrat antwortete mit Schreiben vom 25.02.2016 wie folgt:

" Vorsorgliche Anhörung zur Einstellung gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG

Einstellung von Herrn V. N. zum 01.10.2015

Sehr gehrte Damen und Herren,

sehr geehrte Frau T.,

am 22.02.2016 erhielt der Betriebsrat Ihr Schreiben betitelt mit "Vorsorgliche Anhörung zur Einstellung von Herrn V. N. als Branch-Man...

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