Entscheidungsstichwort (Thema)

Merkmale einer Ein- oder Umgruppierung gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG. Zielsetzung der Mitbestimmung des Betriebsrats bei Ein- oder Umgruppierungen. Vorrang des Urteilsverfahrens für Entgeltansprüche eines Betriebsratsmitglieds

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Ein- oder Umgruppierung besteht in der rechtlichen Beurteilung des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit einer bestimmten Vergütungsgruppe zuzuordnen ist. Dies ist die Rechtsanwendung bezüglich der zugrundeliegenden Vergütungsordnung. Dieser Vorgang unterliegt dem Mitbeurteilungs- und damit dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem. § 99 Abs. 1 BetrVG.

2. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats sichert bei der Entgeltgestaltung die richtige Anwendung der Tarifbestimmungen und dient der Lohngerechtigkeit im Betrieb.

3. Die freiwillige Gewährung einer höheren Tarifgruppe ist keine mitbestimmungspflichtige Umgruppierung. Ansprüche eines Betriebsratsmitglieds auf höhere Entgeltzahlung sind individualrechtlicher Natur und im Urteilsverfahren durchzusetzen.

 

Normenkette

BetrVG § 37 Abs. 4, § 78 S. 2, § 99 Abs. 1, § 101; TV-N (NRW) EG 11 Stufe 6; TV-N (NRW) EG 14 Stufe 6

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Entscheidung vom 04.10.2018; Aktenzeichen 6 BV 40/18)

 

Tenor

  1. Die Beschwerden des Antragstellers und des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts essen vom 04.10.2018 - AZ. 6 BV 40/18 - werden zurückgewiesen.
  2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Beteiligten zu 2. zur Umgruppierung des Betriebsratsvorsitzenden.

Die Antragstellerin ist ein Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs für die Städte F. und N.. Sie ist mit Wirkung zum 01.09.2017 aus der Fusion der örtlichen Nahverkehrsunternehmen entstanden und beschäftigt über 2.500 Arbeitnehmer. Der Beteiligte zu 2. ist der bei ihr gebildete Betriebsrat mit 19 Mitgliedern (im Folgenden: Betriebsrat).

Der Vorsitzende des Betriebsrats, Herr B. (40 Jahre alt, verheiratet, 2 Kinder), war seit dem 01.09.1994 bei den Rechtsvorgängern der Antragstellerin in der Stadt N. beschäftigt. Er war als KfZ-Mechaniker mit der Fachrichtung Personenkraftwageninstandhaltung tätig. Mit Wirkung zum 13.01.1998 fand eine Eingruppierung in die Lohngruppe 5 des damals anwendbaren BZT-G/NRW statt, mit Wirkung zum 01.04.2001 eine Höhergruppierung in die Lohngruppe 5/6a. Mit Wirkung zum 01.07.2002 fand eine Höhergruppierung in die Lohngruppe 6/7a statt. Zu diesem Zeitpunkt erledigte der Betriebsratsvorsitzende selbständig Arbeiten an Schaltungen und elektronischen Bauteilen im Bereich der Oberleitungen. Seit März 2003 wurde er als Ausbilder für die Bereiche KfZ-Mechatronik und Metallbauer eingesetzt, seit 2006 verfügte er über eine anerkannte Ausbildungsbefähigung. Mit der Betriebsratswahl im Jahr 2006 wurde er freigestellt. Parallel bestand er die Meisterprüfung für das KfZ-Handwerk. Mit Wirkung zum 01.01.2008 wurde er während der Freistellung zum Leiter der Ausbildungswerkstatt bestellt und in die Entgeltgruppe 9 Stufe 4 des dann anwendbaren TV-NW eingruppiert. Aufgrund der Übertragung weiterer Aufgaben erfolgte ab dem 01.09.2009 eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 10 Stufe 4.

Mit der Betriebsratswahl 2010 wurde der heutige Vorsitzende stellvertretender Betriebsratsvorsitzender und weiterhin freigestellt. Im Rahmen der Gründung einer überörtlichen Kooperation der Städte E., F. und N. im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs ("VIA") wurde im Jahr 2012 ein zentrales Fuhrparkmanagement eingerichtet. In diesem Rahmen erfolgte eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 11 Stufe 5 mit der Argumentation, dass der heutige Betriebsratsvorsitzende dieses Sachgebiet ohne seine Freistellung "bei betriebsüblicher Entwicklung" geleitet hätte.

Mit Wirkung zum 01.03.2013 wurde dem heutigen Betriebsratsvorsitzenden eine Aufgabe als Abteilungsleiter Fahrzeugtechnik Kraftfahrzeuge (FK-U) übertragen. Zu diesem Zeitpunkt legte er sein Amt als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender nieder und verzichtete auf die Freistellung; ob Herr B. auch als Betriebsratsmitglied zurücktrat, ist streitig. Der mit der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin abgeschlossene Änderungsvertrag (Bl. 144f. d.A.) sah vor, dass er bis zum 31.12.2013 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 13 Stufe 5 sowie ab dem 01.01.2014 nach der Entgeltgruppe 14 Stufe 5 erhalten sollte.

Unter dem 15.11.2013 kam es zum Abschluss einer erneuten Änderungsvereinbarung (Bl. 147f. d.A.), nach der Herr B. rückwirkend ab dem 11.11.2013 eine Tätigkeit in der Stabsabteilung Sicherheitsmanagement übernahm und eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 11 Stufe 6 erhielt. Hintergrund dieser Vereinbarung war, dass die interne Revision festgestellt hatte, dass Herr B. während seiner Tätigkeit als Abteilungsleiter FK-U Privatreparaturen in der Werkstatt der Arbeitgeberin hatte vornehmen lassen, ohne diese zu bezahlen. Die damalige Arbeitgeberin hatte Herrn B. hierfür eine Abmahnung...

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